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Algerien befürchtet Unruhen im Ramadan

Algier (afp/taz) — „Ruhe vor dem Sturm“, heißt es in einem Kommuniqué der Islamischen Heilsfront (FIS), das Anhänger der Partei an der Al-Arkam-Moschee in der ostalgerischen Stadt Constantine ausgehängt haben. Seit dem Verbot der FIS am Mittwoch letzter Woche hielt man in Algerien buchstäblich den Atem an. Die FIS, deren Mitglieder seit dem Abbruch der Parlamentswahlen Mitte Januar von der algerischen Polizei gejagt und verhaftet werden, versuchte ihre Anhänger offenbar weiterhin von spontanen Kundgebungen und Äußerungen des Unmutes abzuhalten, wenigstens bis das Berufungsverfahren über ihr Verbot entschieden ist.

Der Beginn des Ramadan erschwert diese Anstrengungen der FIS, wenn es sie nicht unmöglich macht. Die Partei war Mitte letzter Woche durch einen Beschluß des Verwaltungsgerichtes in Algier verboten worden und hat nun beim Obersten Gerichtshof Berufung eingereicht. Dieser muß nun innerhalb eines Monats seine Entscheidung fällen.

Am Freitag, dem ersten Tag des moslemischen Fastenmonats Ramadan, zogen vor allen Moscheen des Landes Bereitschaftspolizisten mit Sturmgewehren auf, um größere Menschenansammlungen zu verbieten. Während es am Wochenende in der algerischen Hauptstadt zu keinen größeren Auseinandersetzungen kam, wurden in Constantine nach dem Freitagsgebet mindestens dreißig Menschen bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzt und einer getötet. Dies berichtete die algerische Nachrichtenagentur 'APS‘ unter Berufung auf Augenzeugen und Angaben der Polizei, die auch von „zahlreichen Festnahmen“ sprach. Die Zusammenstöße ereigneten sich in dem Stadtviertel Aouinet-el-Foul.

Die Polizei hatte die Al-Arkam- Moschee umstellt und gegen die versammelten Islamisten-Anhänger Tränengas und Schußwaffen eingesetzt. Im Verlauf der zweistündigen Zusammenstöße wurden von Zeugen auch Salven aus Schnellfeuerwaffen gehört. Es sei der Polizei nicht gelungen, den islamischen Geistlichen der Moschee festzunehmen. Er ist untergetaucht. In der Moschee habe man Sprengstoff gefunden, erklärte die Polizei und bezeichnete die Moschee als „Sammlungsort der gewalttätigsten Fundamentalisten in Constantine“.

Schon Mitte Januar, als der zweite Wahlgang der algerischen Parlamentswahlen auf Betreiben der algerischen Militärs abgesagt wurde, war es in dem Stadtviertel um diese Moschee zu besonders zahlreichen Protesten und blutigen Zusammenstößen zwischen Islamisten und der Polizei gekommen.

In der Stadt Amal, rund sechzig Kilometer südlich von Algier, hat die Polizei angeblich eine „paramilitärische Moslem-Organisation“ entdeckt, „zahlreiche Waffen“ beschlagnahmt und elf „Untergrundkämpfer“ verhaftet. Beobachter meinten, in Constantine wie in Amal müsse die Polizei „hervorragende Informationen“ gehabt haben.

Die der FIS nahestehende Hochschulbewegung für die „Verteidigung der Wahl des Volkes“ (MUDCP) rief unterdessen Studenten und Oberschüler auf, die „Protestmärsche und Demonstrationen zu verstärken“, um die algerische Junta zu bekämpfen. Die MUDCP fordert außerdem den Rückzug der Polizei, die seit Tagen die Hochschulen besetzt hält.

Womöglich hat die Ruhe vor dem Sturm bereits aufgehört. In dem Kommuniqué an der Arkam-Moschee in Constantine hieß es, die FIS habe „noch nicht ihr letztes Wort gesprochen. Die Ruhe vor dem Sturm überdeckt bislang die Gefahr eines Bürgerkrieges.“

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