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Alexandra Hilpert ZockerzeckeFrauen können nicht gewinnen

Foto: Josepha Stein

Wer spielt, tut das fast immer mit einem Controller, einer Konsole, einer Maus, einem Stift oder Karten. An griechischen Stränden zu schlafen, seinen Rucksack im Flixbus zu vergessen und ein verrostetes Fahrrad aus dem Fluss zu retten, gehört eher selten zum Spielen dazu. Genau so sieht es aber bei „The Race“ aus. Die zweite Staffel der Serie läuft seit März auf Yotube und Joyn. Fünf Personen rennen darin um die Wette – nicht in einem Stadion, sondern quer durch Europa, von Frankreich bis in die Türkei.

Wie bei jedem Spiel gibt es auch bei „The Race“ Regeln. Die Teil­neh­me­r:in­nen dürfen kein Geld und nur die bereitgestellte Ausrüstung mitnehmen. Sie dürfen Verkehrsmittel nutzen, solange sie damit maximal eine Landesgrenze überqueren.

Dieses Jahr macht zum ersten Mal eine Frau mit: Rahel ist 20 Jahre alt und trampt leidenschaftlich gerne. Was Rahel vermutlich nicht geahnt hat, als sie von der ersten Folge an vorangesprintet ist: wie viel Hass ihr online entgegenschlagen wird. Die Kritik lautet sinngemäß: Wenn Rahel siegt, dann vor allem wegen ihres Geschlechts. Für sie sei alles einfacher, weil sie so harmlos wirke, weil sie eine Frau sei.

Genau so kommt es in der Serie rüber. Rahel springt von einem Auto ins nächste und rauscht im null Komma nix über die Ländergrenzen. Währenddessen hängen ihre Mitstreiter stundenlang auf Raststätten fest, weil kaum jemand sie mitnehmen will.

Dass es Frauen beim Trampen leichter haben, stimmt nicht. Im Patriarchat werden Frauen unterschätzt, objektiviert und sexualisiert. Sie werden vielleicht eher ins Auto gelassen, sind aber einem viel größeren Risiko ausgesetzt. Beim Trampen seien nicht alle Begegnungen schön, schreibt auch Rahel auf Instagram. Manche seien angsteinflößend; manche Menschen glaubten, ins Auto steigen sei eine Zustimmung zu allem.

In der Serie kommen diese Probleme nicht zur Sprache. Sichtbar wird nur der Erfolg, den Rahel hat. Eine Begegnung mit einem Lastwagenfahrer empfindet sie offenbar als unangenehm. Aber es bleibt unklar, ob das an ihm oder der Sprachbarriere liegt.

Dass Frauen harmloser wirken, liegt daran, dass sie es tatsächlich sind. Im Jahr 2023 waren laut Statistischem Bundesamt 89 Prozent der Personen in Deutschland, die wegen Körperverletzung verurteilt wurden, Männer. Sie werden im Patriarchat dazu sozialisiert, Gewalt auszuüben. Wenn Männer Hasskommentare gegen Rahel ablassen, trägt das nur dazu bei, dass niemand fremde Männer im Auto haben will. Schade für sie!

Man könnte Rahel vorwerfen, dass sie ihre Plattform stärker für feministischen und aufklärenden Content hätte nutzen können. Aber am Ende ist nicht die Frau das Problem, sondern die Männer sind es. Sie müssen sich dem feministischen Kampf anschließen und ihre Prägung und ihre Privilegien reflektieren. Damit sie auch eine Chance bei „The Race“ haben. Und damit wir eines Tages in einer wirklich gleichberechtigten Gesellschaft leben können.

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