Aldi-Familie in der Öffentlichkeit: Ein Phantom zeigt sich
Nach dem Tod Berthold Albrechts veröffentlicht die Familie religiöse Traueranzeigen. Die gewähren einen seltenen Blick auf das Selbstbild des Clans.
BERLIN taz | Vielleicht musste sie irgendwann mal raus, diese Seite, die anders ist als das Image der öffentlichkeitsscheuen, geizigen Familie der milliardenschweren Aldi-Gründer. Am Freitag veröffentlichte die Familie Albrecht in großen Tageszeitungen ganzseitige pathetische Traueranzeigen mit Bibelversen, in der sogar der „Familienhund“ als Mitunterzeichner fungierte.
Der Firmenerbe Berthold Albrecht war im Alter von 58 Jahren nach langer Krankheit bereits im November gestorben und beerdigt worden, wo genau, wurde nicht bekannt gegeben. Berthold Albrecht war ebenso wie sein Bruder Theo junior ein Erbe des 2010 gestorbenen Aldi-Mitbegründers Theo Albrecht.
Er war Mitglied des Verwaltungsrates der Unternehmensgruppe Aldi Nord und Vorstandsvorsitzender einer der Familienstiftungen, die als Gesellschafterinnen der Aldi-Gruppe fungieren. Das operative Geschäft der Discounter-Gruppen, die sich in Aldi Nord und in Aldi Süd aufspalten, wird inzwischen maßgeblich von familienfremden Managern geführt.
Weithin geschätztes Vorbild
Die ganzseitigen Traueranzeigen für den fünffachen Vater sind unterzeichnet von „Babette Albrecht mit Kindern und Familienhund sowie die gesamte Familie Albrecht“. In der Anzeige ist ein Schwarz-Weiß-Foto des Firmenerben mit schlohweißem Haar zu sehen, das, so lässt der Hintergrund vermuten, möglicherweise in einer Kirche aufgenommen wurde.
Der Text, laut Fußnote „in Anlehnung an die Trauerpredigt“ erstellt, beschreibt Albrecht als „sehr lieben, überaus großzügigen Menschen, einen vorbildlichen Ehemann und Familienvater … Er war weder geschwätzig noch nachtragend und so ein weithin geschätzter Mensch, der von vielen als Vorbild betrachtet wurde“.
Zu Beginn wird der Römerbrief zitiert: „Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer“. Weiter heißt es: „’Seid niemandem etwas schuldig‘ – diese Aufforderung des Paulus würde mich lähmen, wenn ich sie als überfordernde Moralpredigt verstehen müsste … Was bin ich anderen, mir selbst und Gott in diesem Moment schuldig? Was ist im Bereich meiner Möglichkeiten und Fähigkeiten, was kann ich tun, um anderen besser gerecht zu werden?“
Skandalöse Arbeitsbedingungen
Die Hervorhebung der Bibeltexte mit der Schuldnerfrage ist immerhin bemerkenswert in einer Unternehmerfamilie, die als die reichste Deutschlands gilt, von deren wohltätigem Engagement hierzulande aber kaum etwas bekannt ist. Mehr von sich reden machten erst kürzlich wieder die skandalösen Arbeitsbedingungen in den Discounterfilialen. Ex-Mitarbeiter vor allem der Aldi-Gruppe Süd hatten von der mörderischen Unternehmenshierarchie, von Kontrollwahn und Mobbing berichtet.
Die Aldi-Stiftungen sind nicht wohltätig, sondern Familienstiftungen, die als Gesellschafterinnen der Unternehmensgruppe fungieren. Die beiden Aldi-Gründer Theo und Karl Albrecht schützten durch diese Konstruktionen das Firmenvermögen vor einer möglichen Verschwendung durch die Söhne, denen nur begrenztes Unternehmertalent nachgesagt wird.
Vielleicht halten die Albrechts ihr wohltätiges Engagement aber auch unter dem Deckel, denn seit der traumatischen Entführung des Firmengründers Theo im Jahre 1971 machte sich die Familie in der Öffentlichkeit so unsichtbar wie möglich. Zwölf Tage lang hatten die Kidnapper Theo Albrecht im Kleiderschrank festgehalten, bis er gegen Zahlung von sieben Millionen Mark freikam. Der Versuch von Albrecht, die Lösegeldsumme später als betriebliche Sonderausgaben bei der Steuer geltend zu machen, nährte den Ruf vom legendären Geschäftssinn der Familie.
Die ganzseitigen tiefreligiösen Traueranzeigen in Bild, Süddeutscher Zeitung, Welt und Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom Freitag müssen ein Vermögen gekostet haben, wobei der Begriff des Vermögens relativ ist angesichts des geschätzten Vermögens von 16 Milliarden Euro von Aldi Nord. Was der verstorbene Gründer Theo Albrecht zu diesen Sonderausgaben gesagt hätte, bleibt offen.
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