Alberto Contador klarer Favorit: Nur die Schleck-Brüder fighten noch
Die Tour de France ist anscheinend entschieden: Allein die Brüder Schleck glauben noch daran, Alberto Contador das Gelbe Trikot wieder abnehmen zu können.
Für viele ist die Tour de France entschieden. Für Carlos Sastre zum Beispiel. "Die Tour ist langweilig", schimpfte der Spanier auf seiner Pressekonferenz am Ruhetag. "Das liegt an den Organisatoren. Sie haben alles auf die zwei fokussiert."
"Die zwei", das sind selbstredend Lance Armstrong und Alberto Contador. Titelverteidiger Sastre regte sich darüber auf, dass die Streckenführung der Tour Astana das Kontrollieren leicht macht. Er reiht sich damit in den Chor derjenigen ein, die alles für abgekartet halten. Cadel Evans Teamchef Marc Sergeant grummelt: "Bereits im Oktober, mit der Nachricht über das Mannschaftszeitfahren, war klar, für wen der Kurs gemacht ist." Gekommen sind sie trotzdem: als Statisten für den Hahnenkampf bei Astana.
Während die Ex-Bewerber um das gelbe Leibchen zornig sind und im Hause Astana gekittet wird, um nach außen Harmonie zu demonstrieren, tanzt ein Team aus der Reihe. Für Team Saxo-Bank ist das Rennen noch noch lange nicht zu Ende. Für die Mannen von Bjarne Riis geht es gerade überhaupt erst richtig los.
"Es gab doch bisher nur eine echte Etappe um die Gesamtwertung. Und die war auch noch nicht besonders schwer", meinte Andy Schleck am Montag in Verbier. "Gut, es gab die Windkante und das Teamzeitfahren. Aber in Andorra-Arcalis sind wir alle relativ geschlossen angekommen, und in Verbier hat man erst auf dem letzten Berg etwas machen können. Das Rennen um das Gesamtklassement geht jetzt erst richtig los", sagt der 24-jährige Luxemburger, der der knapp drei Monate älteren deutschen Hoffnung Tony Martin das Weiße Trikot des besten Jungprofis abgenommen hat.
"Dass mir das Weiße Trikot automatisch zufallen wird, wenn ich ordentlich fahre, war ja vorher klar", bemerkte Schleck zu diesem Nebenschauplatz mit einem Selbstbewusstsein, das an Arroganz grenzt.
Seine Augen hat der jüngere der beiden Schleck-Brüder eh bereits auf das knapp zweieinhalb Minuten entfernte gelbe Leibchen gerichtet, das sich am Sonntag erstmals Contador überzog. "Ich werde alles versuchen. Ich werde in den nächsten Tagen angreifen, früher, als die meisten es erwarten. Ich will mir in Paris nicht vorwerfen, nicht alles versucht zu haben", rief er kämpferisch in die Journalistenmenge, die sich in einem kleinen, aus Brettern gezimmerten Raum des Hotels Garbo in Verbier drängte.
Teamchef Bjarne Riis strahlte angesichts des Optimismus seines jungen Helden. "Wir werden Contador keine Nacht ruhig schlafen lassen", versprach der Däne mit Blick auf seine Brüderzange: Fränk, der sich mal Rat beim Doktor Fuentes geholt und dafür mindestens 6.991 Euro überwiesen hat, und Andy, von dem Vater Johnny Schleck stolz sagt: "Er kann sich gut erholen."
Zusammen sollen sie Contador das Leben schwer machen. "Zusammen sind wir stark. Ich werde der Schlüssel für Andys Weg zum Erfolg sein und er der Schlüssel für den meinen", versuchte sich Fränk an einer metaphorischen Beschreibung des Vorhabens. Er war ein wenig sauer, dass die Brother-Power nicht schon in Verbier ein besseres Ergebnis zeitigte.
"Ich hatte anfangs attackiert. Dann kam Contador mit einem Konter. Dem konnte ich nicht folgen, denn auch ich muss einmal Atem holen", gestand er gegenüber einer fast ausschließlich luxemburgisch besetzten journalistischen Kleingruppe. "Ich hätte dann beschleunigen sollen, als Andy zehn Sekunden vor uns war. Doch ich hatte Klöden und Armstrong am Hinterrad. Ich habe gedacht, dass sie noch frisch seien, und wollte sie nicht an Andy heranführen. Wenn ich da schon gewusst hätte, dass sie fertig sind, wäre ich weggefahren", erklärte er weiter.
In den kommenden Tagen soll ihm ein solcher Fehler nicht mehr unterlaufen. Leistungsmäßig schätzen die beiden Schleck-Brüder sich gleich stark ein. Die - zumindest in einem Falle Dopingverdachts-belastete - Brüderpower ist das einzige Hindernis für den Triumphmarsch von Contador, dessen Fuentes-Verwicklung noch immer nicht geklärt ist. Böse Zungen könnten sagen: Egal wie es läuft, der Doc von den Kanarischen Inseln sitzt immer mit im Siegerboot. Was für eine schöne Tour de France.
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