Alben von The Notwist und Cummi Flu: Zwei Arten, Musik zu denken
Das neue Album von den scheuen Gesellen um The Notwist ist so zurückhaltend wie sie selbst. Und Cummi Flu nutzt in seinem neuen Werk „Z“ wieder das Gummiband.
Scheue Gesellen sind die Musiker von The Notwist. In Interviews immer höflich, aber nicht unbedingt gesprächig. Im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen: Muss nicht sein. Kaum verwunderlich, dass sie im Theater unsichtbar bleiben, ihre Musik ausschließlich der näherliegenden musikalischen Begleitung verpflichtet ist. So können sie als Figuren im Hintergrund bleiben und doch ihren entscheidenden Teil beitragen. Das tun, was eine musikalische Untermalung von Theater- oder Hörspielproduktionen auszeichnen sollte.
Da The Notwist es bei allem Bemühen, Randfiguren zu bleiben, nicht geschafft haben, ihre musikalischen Künste vor der Welt zu verbergen, da sie als Künstler anerkannt sind, ist nun eine Auswahl ihrer Musiken zu Theaterstücken und Hörspielen erschienen. Die Vinylversion lief derart erfolgreich, dass nun auch eine konventionelle CD-Version erhältlich ist.
Der Sound auf „The Messier Objects“ wirkt etwas strenger, die Notwist-typische Lust an verschlungenen Wegen tritt seltener hervor. Das Album ist geprägt von Patterns, die sich ineinanderweben und gelegentlich verziert werden. Der Groove ist mächtig und hört sich dabei nach Electronica, Post-Rock und Library Music an.
Da die Stücke wie Versuchsanordnungen von eins bis sechzehn durchnummeriert sind (mit einer Ausnahme), kann man nicht unbedingt erschließen, wo genau sie ursprünglich eingesetzt wurden. Oft tragen die „Objects“ – man kennt das von Soloprojekten von Bandmitglied Martin „Console“ Gretschmann – eine Art musikalische Patina, als würde das Knarzen bereits in die Aufnahme integriert sein. Die auf „The Messier Objects“ versammelten Stücke, gerade die kürzeren, hören sich trotzdem gelegentlich nach kleinen Fingerübungen an.
Zurückhaltung in musikalische Kunst umgewandelt
Hier und da blitzt ein Anfang auf, der sich auch auf dem einen oder anderen regulären Album gut gemacht hätte. Das Zentrum von „The Messier Objects“ bildet das epische „Das Spiel ist aus“. Hier wird Zurückhaltung in musikalische Kunst umgewandelt: Patterns aus Klavier- und Gitarrentönen verwebend, Percussion und Schlagwerk hinzufügend baut sich das Stück langsam auf, um schließlich in Rauschen überzugehen und in einem einzigen Ton zu enden.
The Notwist: „The Messier Objects“ (Alien Transistor/ Morr/Indigo); Cummi Flu: „Z“ (Shitkatapult/Morr/Indigo).
Genau an diesem Punkt könnte Oliver Doerell alias Cummi Flu wiederaufnehmen. Auch er legt mit „Z“ ein Instrumentalalbum vor, das am besten in das weitläufige Genre Electronica eingeordnet werden kann. Stücke wie „Sherée“ oder „Watersong“ könnten in ihrer melancholischen Unaufgeregtheit auch vom Notwist-Album stammen.
Trotz aller Ähnlichkeiten denkt Doerell Musik aber vollkommen anders als The Notwist. Das liegt zunächst an der Instrumentierung: Doerell ist zwar Multiinstrumentalist, aber er handelt allein. Sein Mittel ist weniger das gemeinsam erzeugte Pattern, sondern der Loop, den er mittels Field Recordings oder Eigenkompositionen erzeugt. Während das Pattern als musikalisches Muster eher Assoziationen eines verwebten Ganzen auslöst, kennzeichnet die Ästhetik des Loops eher die Aneinanderreihung autonomer Schnipsel zu einem Ganzen.
Der Gitarrenloop im titelgebenden Stück „Z“ beispielsweise wiederholt stur die gleiche Abfolge von Tönen, die eine von Menschenhand gespielte Gitarrenmelodie so vermutlich nicht imitieren könnte. Damit kombiniert Doerell, wie öfter auf dem Album, klagende Stimmen, wieder nur Schnipsel, die stets die gleichen Worte wiederholen, und lässt sein Lieblingsinstrument, das Gummiband, die Erfindung des Drumcomputers vergessen.
Soundgefüge mit Fallhöhe
Nach wenigen Minuten hat sich so in jedem der Tracks voller Knirschen und Knarzen ein unglaublich dichtes Soundgefüge entwickelt. Doerell fügt Schicht um Schicht hinzu, erzeugt Fallhöhe und lässt dann alles zu einem überraschend leisen Ausklingen zusammenbrechen. Daraus ergibt sich ein Sound, der manchmal sogar im Club brauchbar wäre und der eher ruhige Auftakte faszinierend hektisch werden lässt. Je länger ein Track dauert, desto weiter entfernt sich Doerell von The Notwist, um wieder bei ähnlich sanften Enden zu landen.
Zwei Arten, Musik zu denken: Gewebe vs. Stapel, Pattern vs. Loop. Zumindest, wenn man es einmal musikalisch betrachtet. Man könnte es auch aufs Temperament schieben.
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