: Akzeptieren – und demonstrieren
■ Heute große Bildungsdemo auf dem Rathausmarkt / GEW-Chef de Lorent im taz-Interview: Zu Verhandlungen mit Schulbehörde bereit Von Kaija Kutter
taz : Die GEW demonstriert heute auf dem Rathausmarkt. Ist die Phase des internen Streits vorbei?
Hans-Peter de Lorent: Weitestgehend. Wir haben uns darauf verständigt, sowohl für mehr Ressourcen im Bildungsbereich einzutreten und dafür öffentlich Druck zu machen als auch in Gesprächen mit Schulsenatorin Raab konkrete Verbesserungen zu erreichen.
Rechnen Sie wieder mit 50.000 Demonstranten wie im April '94?
Der Charakter der diesjährigen Veranstaltung, die ja erst um 14.30 Uhr beginnt, ist anders. Wir beziehen zwar die Schüler mit ein, richten uns aber mit der Kundgebung vor allem an die Pädagogen, die ja die Hauptbetroffenen der Sparmaßnahmen sind. Gleichwohl rechne ich mit 5- bis 10.000 Teilnehmern.
Sie protestieren gegen die Arbeitszeiterhöhung zum 1. August?
Das ist für uns ein Schwerpunkt, weil wir als einzige Berufsgruppe vom Senat herausgegriffen wurden, um zur Sanierung des Haushalts beizutragen.
Zugleich wollen Sie mit der Behörde über neue Arbeitszeitmodelle verhandeln. Beißt sich das nicht?
Nein, überhaupt nicht.
Schulsenatorin Raab hat mehrfach verkündet, Gespräche über Arbeitszeitmodelle fände sie prima, aber auf der Basis der Pflichtstundenerhöhung. Sind Sie dazu bereit?
Ja, wir sind zu Gesprächen bereit. Wenn wir einerseits durch öffentlichen Protest auf die Politik insgesamt Druck ausüben, werden wir auf der anderen Seite natürlich auch versuchen, unter den beschlossenen Bedingungen Politik zu machen.
Wird denn der Protest nicht unglaubwürdig, wenn Sie per Gesprächsbereitschaft die Bedingungen akzeptieren?
Wir akzeptieren die Bedingungen nicht, aber wir gehen davon aus. Wenn Senat und Bürgerschaft die Erhöhung um eine Pflichtstunde zum 1.8.95 verfügt haben, dann wird das mit großer Wahrscheinlichkeit ja auch umgesetzt. Unser Ziel ist es, über Gespräche konkrete Entlastungen und Arbeitsreduzierungen für die KollegInnen auszuhandeln, so daß sie trotzdem nicht mehr zu arbeiten haben.
Wie soll das gehen, wenn nicht auf Kosten der Schüler?
Ich denke, es wäre ein Beitrag zur Humanisierung des Schülerlebens, wenn wir in größerem Maße auf Klausuren und die unsinnigen Halbjahreszeugnisse verzichten. Das sind zwei Bereiche, wo Lehrer erheblich Zeit fehlinvestieren. Ich kann mir aber auch vorstellen, daß man die Arbeitszeit anders gestaltet. Wir sind in der Diskussion, wie dies modellhaft gemacht werden kann, so daß Lehrer nicht mehr als eine 38,5-Stunden-Woche haben.
Das nächste Schuljahr naht. Wann reden Sie mit Frau Raab?
Wir haben am 16. Mai eine Versammlung, auf der wir Gesprächsziele festlegen. Ich gehe davon aus, daß wir am Tag danach verhandlungsbereit sind.
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