Airbus: Die A-Frage
Der Flugzeugbauer fordert Nachzahlungen und droht mit dem Aus für den Militärtransporter. Das könnte harte Folgen für die Airbus-Werke in Bremen und Stade haben, wo Teile des Riesenfliegers produziert werden
Kommt er? Oder kommt er nicht, der Militärtransporter A 400M von Airbus? Sein Aus steht im Raum. Eine Vorentscheidung könnte am heutigen Donnerstag fallen. Die Staatssekretäre der sieben Nato-Nationen, die den Riesenflieger bestellt haben, treffen sich in London. Sie beraten über fünf Milliarden Euro. Das ist die Summe, die Airbus-Chef Thomas Enders fordert. Sonst werde der A 400M eingestellt. Ende Januar läuft die Verhandlungsfrist aus.
"Dramatische Auswirkungen" hätte ein Aus des A 400M für Bremen, sagt Holger Bruns. Der Sprecher des dortigen Wirtschaftsressorts ist ansonsten kein Freund emotionaler Worte. Aber im Bremer Airbus-Werk hängt jeder dritte Job an dem gefährdeten Militärtransporter. Betroffen wären im Norden darüber hinaus noch die Werke in Stade und Lemwerder (Kreis Wesermarsch), wo ebenfalls am Flieger gebaut wird.
Für die Bremer Friedensaktivistin Andrea Kolling ist die Sache klar: Raus aus dem Projekt - und zwar jetzt, fordert die Vorsitzende der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung. Sie bezweifelt den Nutzen des Militärtransporters schon im Grundsatz. Der A 400M soll die alten Transall-Flieger ersetzen und eine höhere Reichweite und Nutzlast bringen. "Sicherheitspolitisch macht das Ganze keinen Sinn", sagt Kolling. "Wo liegt die Notwendigkeit für einen Flieger, der Soldaten und Panzer durch die ganze Welt fliegen kann?" Für Kolling ist das Flugzeugmodell eine reine Subventionsmaßnahme.
Der A 400M ist die erste europäische Eigenentwicklung eines Militärtransporters. Die Idee stammt noch aus dem Kalten Krieg.
Er hat Platz für 116 Soldaten, mit 37 Tonnen Ladung soll er 3.100 Kilometer weit fliegen können.
Seit 2003 wird der A 400M entwickelt. Eine Erstauslieferung war ursprünglich für Oktober 2009 geplant. Der Jungfernflug fand allerdings erst im Dezember 2009 statt.
Lieferungen an die Bundeswehr waren ab 2011 geplant. Mittlerweile rechnet man mit vier Jahren Verspätung.
Das Bundesverteidigungsministerium (BMV) dagegen verspricht sich vom A 400M eine "deutliche Fähigkeitssteigerung". Ein Sprecher rühmt vor allem die "taktische Beweglichkeit" des Fliegers, der selbst auf unbefestigten Pisten starten und landen können soll. Der A 400M sei auch "außerhalb von klassischen militärischen Handlungen einsetzbar" - zum Transport von Hilfsgütern etwa, oder zur Evakuierung von zivilen Personen.
180 Flieger haben Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Belgien, Luxemburg und die Türkei insgesamt bestellt. Mit 60 Bestellungen ist Deutschland Großabnehmer. Vereinbart ist ein Festpreis von 20 Milliarden Euro. Dabei soll es nach dem Willen des BMV auch bleiben. Der vereinbarte Zeitplan sei bereits um drei Jahre überschritten, sagt der Ministeriumssprecher. Da solle dann doch zumindest der Kostenrahmen dem damaligen Vertrag entsprechen.
Alle erwarten einen Kompromiss, die Wirtschaftspresse diskutiert ihn sogar schon. Demnach könnten die Kunden für den Festpreis weniger Maschinen als ursprünglich vereinbart abnehmen. Aber: Das BMV will nicht weniger als 60 Maschinen. "Das ist der Bedarf unserer Streitkräfte", lässt das Ministerium mitteilen. Details zu den Verhandlungen will er nicht preisgeben. "Darüber ist Stillschweigen vereinbart."
Auch bei Airbus schweigt man sich aus: Kein Wort über die Konsequenzen für die norddeutschen Niederlassungen, sollte das Projekt A 400M wirklich abstürzen. "Das wären reine Spekulationen", sagt Airbus-Sprecher Tore Prang. Klar sei nur, "dass wir das Programm unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht fortsetzen" - was hieße: Man würde vertragsbrüchig. Auch der Airbus-Betriebsrat in Bremen schweigt dazu, ist für eine Stellungnahme ist er nicht zu erreichen.
Dabei gilt die A 400M-Frage sogar als existenzbedrohend für Airbus insgesamt: Im vergangenen Jahr produzierte das Unternehmen 498 Flugzeuge. Das ist ein Rekord für den Flugzeugbauer. Doch der A 400M bringt 150 Millionen Euro Verlust - Monat für Monat.
Das Debakel führt man beim Airbus-Mutterkonzern EADS in Sevilla unter anderem auf den vertraglich vereinbarten Festpreis zurück, erklärte EADS-Chef Louis Gallois bei der Neujahrs-Pressekonferenz am Dienstag. Diese Regelung war 2003 ein Novum bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen. Bis dahin üblich war ein Verfahren, bei dem die Hersteller die Entwicklung zahlen. Und diese - plus einer Gewinnmarge von 15 bis 20 Prozent - an die Kunden weitergeben.
Bei 2,4 Milliarden liegt der Verlust bislang, mit insgesamt elf Milliarden rechnet Airbus. Das ist mehr als der doppelt so viel wie der Bremer Landeshaushalt. 5,3 Milliarden sollen die Abnehmerländer nun nachzahlen. Lassen sie den A 400M sterben, kriegen sie sechs Milliarden Entwicklungskosten zurück. Für manche ist das wohl eine verlockende Aussicht.
Bremen ist angesichts dessen hilflos. Und ruft nach dem Bund. "Berlin soll das Thema vernünftig lösen", appelliert Holger Bruns vom Wirtschaftsressort. "Überragend" sei die Bedeutung des A 400M für Bremen. Und das nicht nur aus arbeitsmarktpolitischer Sicht, sagt der Sprecher, sondern auch als "Zeichen für das Innovationspotenzial des Hochtechnologiestandorts Bremen". An der Finanzierungsfrage müsse sich die Bundesregierung messen lassen. "Es kann nicht sein, dass man realitätsuntaugliche Verträge abschließt und sie dann nicht fortführt."
Und schließlich: "Ein Aus", sagt die Friedensaktivistin Kolling, "wäre der Öffentlichkeit nach all den Jahren nicht zu erklären".
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