Aids ist älter als gedacht: Die Stadt und das Virus
Aids ist älter, als bislang gedacht. Schon um 1900 sollen sich die ersten Menschen in Afrika mit HIV infiziert haben. Aber erst das Wachstum der Städte ließ den Erreger Fuß fassen.
ap/taz Bislang hat die Forschung den Ursprung des HI-Virus auf etwa 1930 datiert. Mediziner der University of Arizona haben nun ermittelt, dass die erste Infektion mit dem Erreger wahrscheinlich bereits um 1908 einen Menschen betroffen hat. Details der Untersuchung werden im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht.
Demnach hat das Forscherteam mittels gentechnischer Analysen zweier infizierter Gewebeproben aus den Jahren 1959 und 1960 eine wesentlich genauere Einschätzung des Ursprungs des Immunschwäche-Virus vornehmen können, als dies bislang möglich war. Diese neue Einschätzung sei "keine monumentale Verschiebung, aber sie bedeutet, dass sich der Virus noch um einiges länger außerhalb unserer Wahrnehmung bewegt hat, als wir bislang angenommen hatten", so Michael Worobey, einer der Autoren der Studie.
Die neue Kalkulation legt nahe, dass die Entstehung urbaner Zentren in Zentralafrika die Verbreitung und Entwicklung des Virus in seiner frühen Phase wesentlich begünstigt hat. Wissenschaftler führen die Quelle von Aids auf erkrankte Schimpansen zurück, deren Fleisch in Afrika von Menschen gegessen wurde. Allerdings war der Verzehr von Affenfleisch schon vor 1900 üblich. Nach Aufassung von Woberey und Kollegen konnte der Virus in den Anfangsjahren zwar viele Menschen infizieren, sich auf dem wenig besiedelten Land jedoch nicht verbreiten.
Erst das Wachstum afrikanischer Städte hat den Nährboden für den Virus bereitgestellt, vermuten die Forscher. "Städte sind ideal für ein Virus wie HIV", so Worobey. "So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine infizierte Person den Virus an die nächste weitergibt." Ein mögliches Szenario: Im Kongo siedelte eine infizierte Person vom Land in das heutige Kinshasa um. "Das kann der Zündfunke im Pulverfass gewesen sein", meint Worobey.
Die Forscher nehmen an, dass der Virus von Afrika aus über Haiti gegen Ende der Sechziger Jahre in die USA gelangt ist. Von dort hat es sich anschließend die über gesamt Welt verbreitet hat. Offiziell als Krankheit anerkannt wurde Aids im Jahr 1981 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde.
Eine erst vor kurzem entdeckte Gewebeprobe, die einer aus Frau 1960 in einem Krankenhaus in Kinshasa (damals Léopoldville) entnommen wurde, machte die neue Berechnung möglich. Bislang war eine Probe aus dem Jahr 1959 die einzige, die der Wissenschaft aus der Zeit vor 1976 zur Verfügung stand. Um das Alter des HI-Virus zu ermitteln, wurde ein genetischer Vergleich zwischen den beiden etwa gleich alten Proben vorgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!