: Aids-Kampagne zeigt Wirkung
Zahl der Geschlechtskrankheiten zurückgegangen / Seriöse Indizien für den Rückgang von HIV-Neuinfektionen ■ Hans-Günter Meyer-Thompson
Hamburg (taz) - Erstmals wird in diesem Jahr die Zahl der gemeldeten Fälle von Tripper und Syphilis in der Bundesrepublik unter 10.000 liegen. Dies geht aus den Halbjahresstatistiken der Gesundheitsämter und des Statistischen Bundesamtes für 1988 hervor. Die Zahl der statistisch erfaßten Fälle der zwei Geschlechtskrankheiten beträgt demnach nur noch ein Viertel der Anzahl aus dem Jahre 1985. Zu diesem Zeitpunkt setzten in der Bundesrepublik die ersten Kampagnen gegen die Infektionskrankheit Aids ein, die wie Tripper (Gonorrhoe) und Syphilis (Lues) hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen wird. Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth wertete diesen Rückgang als einen Beweis dafür, daß die Empfehlungen zum Schutz vor der Immunschwächekrankheit in der Bevölkerung ernst genommen würden.
Obwohl sowohl für Tripper, als auch für Syphilis eine Meldepflicht besteht, wird schätzungsweise nur jeder vierte Fall gemeldet und somit statistisch erfaßt, erklärt Professor Detlev Petzold Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“. Trotz der hohen Dunkelziffer wertet der Chef der Heidelberger Universitätshautklinik die jüngsten Zahlen als eindeutigen Trend: „Regionale Studien in München und Heidelberg und auch die bundesweiten Beobachtungen der Dermatologen bestätigen den Rückgang der gemeldeten Neuerkrankungen.“ Allerdings seien diese Zahlen bereits seit 1980 rückläufig. Der stärkste Knick in der statistischen Kurve ist jedoch von 1985 auf 1986 zu verzeichnen, nachdem das Thema AIDS breit in die Medien gekommen war und die ersten Aufklärungkampagnen anliefen. Gleichzeitig vermeldeten Hersteller und Vertreiber von Kondomen einen Verkaufsanstieg von über 30 Prozent.
Der Alleinhersteller des Antibiotikums Spectinomycin (Stanilo R), das ausschließlich gegen Tripper eingesetzt wird, bestätigte vor kurzem gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk, daß der Umsatz dieses Medikaments seit 1984 um 60 Prozent gesunken sei. Nach Ansicht von Dermatologen kann dies nur als Bestätigung für den tatsächlichen Rückgang des Trippers gewertet werden. AIDS-Experten schließen daraus, daß auch die Neuerkrankungen an der tödlichen Immunschwäche seit 1985 rückläufig sein müssen.
„Das ist genau das, was wir uns immer erhofft haben“, erklärt Professor Michael Koch, Leiter des AIDS-Zentrums beim Bundesgesundheitsamt. Koch liegen vergleichbare Zahlen über den Rückgang der klassischen Geschlechtskrankheiten auch in anderen Ländern vor. Nach einer Information des Bundesgesundheitsministeriums sind bislang 20.956 HIV -Infektionen an das Bundesgesundheitsamt gemeldet worden, darunter 2.939 Frauen, Die Zahl der monatlich neu gemeldeten Infektionen sei seit einigen Monaten nicht gestiegen, bestätige das Ministerium auf Anfrage.
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