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Ahnungslos wie Ahab

Bernd Pfarrs Kunst und ein National-Feuilletonist

„Eines Tages war Zeus das Blitzeschleudern leid“, wusste Bernd Pfarr Foto: dpa

Von Komik und Humor versteht die Süddeutsche Zeitung gar nichts. Das „Streiflicht“? Mau wie Muckefuck. Die Karikaturen? Lausig wie Gammelbärte. Und das Feuilleton? Ahnungslos wie Ahabs Holzbein.

Am Mittwoch veröffentlichte die SZ einen Bericht von Alexander Menden über die Werkretrospektive des im Jahr 2004 verstorbenen komischen Künstlers Bernd Pfarr im Wilhelm-Busch-Museum Hannover: „Die wilde Schönheit der Auslegeware.“ Der Jahrhundertzeichner Pfarr, der nur 45 Jahre alt wurde, hatte mit der von ihm entwickelten, mehr als merkwürdigen Figur „Sondermann“ eine sehr eigene Ästhetik und einen ganz neuen Tonfall in die deutsche Welt der Komik gebracht. Um dies zu beschreiben, packt der Berichterstatter sein ganzes Feuilleton-Werkzeug aus: „altväterliche Wendungen“, „unhippe Umgangssprache“ und „strukturelle Albernheit“ konstatiert der Kritiker, um dann zum Schluss zu kommen: „Es gibt ihn tatsächlich, den spezifisch deutschen Humor, und Bernd Pfarr war einer seiner brillantesten Exponenten.“

Die brillante Fachsprache beherrscht der ansonsten ahnungslose Autor Menden jedenfalls. Aber immer wenn ein Feuilletonist in seinem Werkzeugschrank kein passendes Arbeitsgerät findet, dann greift er entweder in die hohe Floskelsprache oder in die unterste Schublade. Dort findet er zwangsläufig die nationale Zwinge, in die er ein Werk einklemmt. Ausgerechnet der Sonderling Sondermann soll typisch deutsch sein? Wo Pfarrs Bildästhetik ganz offensichtlich amerikanische Vorbilder besitzt?

Wie kenntnisfrei der Süddeutsche-Mann ist, zeigt sich besonders in einem Detail: Im Wilhelm-Busch-Museum zu sehen sind „rund 100 Arbeiten von 27 Leihgebern, darunter auch seine Frau Ruth Pfarr“, berichtet der Autor, der sich offenbar mit der Witwe unterhalten hat, schreibt er doch über nicht ausgestellte Bilder: „Man müsse sich ja nicht unnötig Ärger machen, meint Ruth Pfarr dazu.“

Wer sich nur ein wenig in der Welt der Komik auskennt, weiß, dass die viel besungene Sonderfrau und Frankfurter Grande Dame nicht Ruth Pfarr, sondern Gabriele Roth-Pfarr heißt. Jedes Jahr verleiht eine Jury unter ihrem Vorsitz den „Sondermann-Preis“ für Komische Kunst. Den wird die Süddeutsche Zeitung garantiert nie, nie, nie bekommen. (mir)

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