■ Ahaus: Die Proteste gegen den Atommülltransport waren ein Erfolg: Der Weg ist das Ziel
An diesem Wochenende werden fünf Legionen Polizisten dafür sorgen, daß sechs Castor-Behälter ihren Weg in das Atommüllzwischenlager Ahaus finden. Daran werden alle Proteste der Atomkraftgegnerinnen und -gegner nichts ändern.
Die Absicht der meisten Demonstranten ist allerdings auch gar nicht, den einzelnen Transport zu verhindern, sie wollen den Transport strahlenden Atommülls nur so teuer wie möglich machen. Die Befürworter der Atomkraft sollen über einen hohen ökonomischen und politischen Preis für die nukleare Energieerzeugung zur Einsicht gebracht werden.
Die Strategie, den Preis für die Nutzung der Atomkraft in die Höhe zu treiben, ist nicht neu. Die Anti- Atom-Bewegung hat schon vor Jahrzehnten hier ihre Chance erkannt. Und solange sich die politische Mehrheit gegen die Atomkraft in der Bundesrepublik noch nicht in eine Politik des Atomausstiegs umsetzt, suchen Atomkraftgegner weiter nach Möglichkeiten, die Atomenergie teurer zu machen.
Ihre Analyse gleicht der von Atomkraftgegnern in anderen westlichen Demokratien: Die Atomkraft wird privatwirtschaftlich betrieben. Für diese Industrie zählt letztlich nur die Rendite. Gleichzeitig bietet die Bundesrepublik wie zum Beispiel auch die USA mit einem föderalen System eine Reihe von Eingriffsmöglichkeiten für atomkritische Bürger. Die Mischung aus profitorientierter Industrie und föderaler Demokratie bietet eine wichtige Chance zum Ausstieg.
Einerseits versuchen die Atomkraftgegner auf allen Ebenen, ein Optimum an Sicherheit vor den Folgen der Nuklearindustrie für die Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen. Sie erreichen damit gleichzeitig ein Maximum an Kosten für die Atomkraftbetreiber. Dies ist dem schnellen Brüter in Kalkar zum Verhängnis geworden.
Die Ökonomie hat letztlich auch das Aus für die Wiederaufarbeitung im bayrischen Wackersdorf bewirkt. Und diese Art der Ökonomie wird zu guter Letzt auch die Transporte hochradioaktiven Atommülls in weit entfernte Zwischenlager stoppen.
Statt die atomaren Trutzburgen der Konzerne mit ihren Natozäunen und Wassergräben zu belagern, konzentriert sich die Bewegung heute auf das Stören der Versorgungswege. Diese Transporte kann man schließlich nicht abseits der demokratischen Öffentlichkeit hinter Mauern und Zäunen abwickeln.
Gleichzeitig erreicht die Anti-Atom-Bewegung mit dem massiven Polizeieinsatz aber auch eine Erhöhung des politischen Preises der Atomkraft. Brave Bürger und Bauern im westfälischen Ahaus, die sogar bereit waren, den heimischen Atommüll aus dem westfälischen Hamm-Uentrop bei sich zu lagern, gehen auf die Barrikaden, wenn ihre Kleinstadt zur strahlenden Abstellkammer der Republik gemacht werden soll. Schülerinnen und Schüler der Stadt reagieren auf die Bedrohung mit einer Blockade der wichtigsten Durchgangsstraße. Die Landwirte, die sich zehn Jahre lang um das Atommüllager neben ihren Feldern nicht gekümmert haben, sehen sich in ihrer Existenz bedroht, wenn Stromkonzerne aus der ganzen Republik dort Atommüllbehälter abstellen wollen. Und das katholische Bistumsblatt Kirche und Leben fordert die Gläubigen im Münsterland anläßlich des Atomtransports zum Einsatz für die Schöpfung auf. Von den Fußballfans, die auf ihre Wochenendspiele verzichten müssen, den Autofahrern, die im Stau stehen, gar nicht zu reden.
Addiert man die ökonomischen und die politischen Kosten, so hat die Anti-Atom-Bewegung in Ahaus zumindest einen Etappensieg erzielt. Egal, wann der Castor an diesem Wochenende im Zwischenlager Ahaus einrollt, die Umstände des Transports dokumentieren eindrücklich, daß die Atomkraft in diesem Land nicht gewollt ist und keine Zukunft hat. Der Preis ist zu hoch. Über diesen Etappensieg könnten sich die Atomkraftgegnerinnen und -gegner und die Politiker freuen, die seit Jahren den Ausstieg aus der Atomkraft auf ihre Fahnen geschrieben haben. Wäre da nicht der tödliche Unfall des Grenzschutzbeamten. Hermann-Josef Tenhagen
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