Agrarsubventionen: Rückschritt für die Transparenz
Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof will detaillierte Angaben über Subventionsempfänger aus dem Netz nehmen. Greenpeace warnt vor einem Pyrrhussieg.
BERLIN taz | Die Listen mit den Namen fast aller Empfänger von EU-Agrarsubventionen müssen wahrscheinlich bald aus dem Internet verschwinden. Eleanor Sharpston, Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs, erklärte vorige Woche in einem Gutachten die Verordnung über die Veröffentlichung durch die Behörden für ungültig. Bisher schränkten diese unzulässig die Persönlichkeitsrechte Betroffener ein. In den meisten Fällen folgen die Richter den Schlussanträgen der Generalanwälte.
Gerade für Gegner des derzeitigen Subventionssystems liefern die Daten Munition in der aktuellen Diskussion darüber, wie die jährlich rund 60 Milliarden Euro für die Landwirtschaft künftig verteilt werden sollen. Die Aktivisten kritisieren, dass die Beihilfen vor allem pro Hektar Land und kaum nach Umwelt- oder Sozialkriterien vergeben würden. Landwirte beeinflussen die Natur immens, denn sie nutzen mehr als 40 Prozent des Bodens in Europa. Seit der ersten Veröffentlichung 2008/2009 ließ sich anhand von konkreten Beispielen aus den Listen zeigen, dass die größten Beträge nicht an Bauern, sondern an Handels- und Agrarkonzerne fließen. Denn die Datenbanken nennen zum Beispiel Namen, Ort, Postleitzahl und Betrag fast aller Empfänger.
Dagegen klagten mit Unterstützung des Deutschen Bauernverbandes zwei Landwirte aus Hessen, denen die Behörden 2008 rund 65.000 Euro beziehungsweise 6.100 Euro Subventionen bewilligt hatten. Sie sahen das Datenschutzrecht verletzt, denn die Ämter hätten personenbezogene Angaben veröffentlicht, ohne dass es dafür ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft gebe.
Das findet auch Generalanwältin Sharpston. "Aus meiner Sicht haben die Organe dem Gerichtshof keine Erklärung geliefert, die einer Prüfung standhält", heißt es in ihrem Gutachten. Wenn die EU mit der Veröffentlichung zeigen wolle, wer genau sehr hohe Beträge erhalten hat, dann solle sie nur diese Empfänger und nicht etwa auch Kleinbauern nennen. Möglich sei es auch, die Daten in Gruppen - zum Beispiel nach Betriebsgrößen - zusammenzufassen und ohne Namen zu publizieren.
"Wir fühlen uns bestätigt in unserer Auffassung hinsichtlich Form und Detailgenauigkeit der Veröffentlichung", freute sich Wolfgang Krüger, Agrarrechtsexperte des Bauernverbands. Falls die Richter sich Sharpstons Meinung tatsächlich anschließen, dürften die Behörden möglicherweise gar keine Daten mehr online stellen. Ob die Politik dann eine nachgebesserte Verordnung beschließt, ist offen.
Greenpeace verlangt schon, dass künftig die Empfänger von mindestens 50.000 Euro geoutet werden. "Wenn nun aber sämtliche Empfängerdaten im Dunkeln bleiben, wäre das ein Pyrrhussieg für den Bauernverband", sagte Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter. Denn dann ließen sich die Subventionen angesichts der aktuellen Finanzlage dem Steuerzahler nicht mehr vermitteln.
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