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Archiv-Artikel

crime scene Afroamerikaner und Detektiv alter Schule: Easy Rawlins, Held von Walter Mosleys historischen Krimis

Easy Rawlins ist eigentlich Hausmeister. Nebenher betätigt er, der als Schwarzer im rassistisch geordneten Los Angeles der Fünfziger- und Sechzigerjahre lebt, sich als Privatdetektiv. Dabei bekommt man als heutiger Leser tiefe Einblicke in eine Welt, die uns so fern und zudem so vergangen ist, dass man nur noch durch die Literatur in sie hineingelangt. Strenggenommen fallen Walter Mosleys Easy-Rawlins-Romane, von denen mit „Little Scarlet“ nun – drei Jahre nach dem Original – der achte auf Deutsch erschienen ist, in das Subgenre „historischer Kriminalroman“. Doch Mosleys Erzählen ist diese Historizität absolut nicht anzumerken. Easy, der als Icherzähler fungiert, wirkt so präsent, als säße er einem direkt gegenüber (auch die ziemlich gelungene Übersetzung trägt dazu bei), und es ist schon der Blick auf die biografischen Daten des Autors nötig, um festzustellen, dass dieser Roman definitiv erst vierzig Jahre nach der Zeit seiner Handlung entstand. Mosley holt damit auch etwas nach, das es früher nicht geben konnte. Denn es ist schwer vorstellbar, dass ein afroamerikanischer Autor, der in den frühen Sechzigern solche Krimis schrieb (möglicherweise gab es ja irgendwo jemand), es damit regelmäßig auf die New-York-Times-Bestsellerliste geschafft hätte. Oder dass ein weißer Präsidentschaftskandidat öffentlich verkündet hätte – so wie anno 1992 Bill Clinton über Walter Mosley –, dies sei sein Lieblingsautor. Mosley seinerseits betont in Interviews gern, sein Thema sei das Schreiben über männliche schwarze Helden. Und wenn man sich Easy Rawlins so ansieht, ist das ein sehr bewusstes Programm. In puncto moralischer Integrität, Selbstlosigkeit, Ritterlichkeit und geradezu übermenschlicher Unerschrockenheit ist Easy ganz Detektiv der alten Schule – ein dunkelhäutiges Pendant zu Chandlers Philip Marlowe. Mit den gebrochenen Ermittlerfiguren neuerer Kriminalromane hat dieser echte Kerl kaum etwas gemein. Er ist ein wahrer romantischer Held; ein positives Rollenmodell par excellence.

Und so passt es denn auch, dass in „Little Scarlet“ vor allem junge Frauen gerettet werden müssen. 1965 kam es, in der echten Welt wie im Roman, in den überwiegend von Schwarzen bewohnten Vierteln von Los Angeles zu gewalttätigen Unruhen, nachdem die Polizei einen schwarzen Verkehrssünder verhaftet hatte. Die Romanhandlung setzt damit ein, dass Easy mit ansehen muss, wie der Mob die Läden seiner wenigen weißen Nachbarn zerstört. Wenig später taucht ein weißer Polizist bei ihm auf: Eine junge Schwarze ist ermordet aufgefunden worden, und alles scheint auf einen Weißen hinzuweisen, den sie zum Schutz gegen die wildgewordene Menge auf der Straße bei sich aufgenommen hatte. Um die Gewalt nicht von Neuem anzustacheln, ist die Polizei bei den Ermittlungen auf Easys Hilfe angewiesen. Ausgestattet mit einem Schutzbrief des stellvertretenden Polizeichefs, der ein rassistisches Arschloch ist, führt Easy seine brisanten Ermittlungen durch, die ihn nicht nur in das ärmliche Viertel führen, in dem die junge Frau lebte, sondern auch in die Villengegenden der wohlhabenden Weißen. Dabei wird ihm von seinem alten Buddy Mouse geholfen, einem Ganoven erster Güte, dessen Dienste Easy in Anspruch zu nehmen pflegt, wenn es gar nicht anders geht. Doch ein derart integrer Charakter wie Easy Rawlins ist weder durch die Freundschaft mit einem Killer zu korrumpieren noch durch die Nähe einer schönen jungen Frau zu verführen. Eine Exgeliebte von Mouse bewahrt er ritterlich vor dem Liebesselbstmord, und der reizvollen Juanda, die ihm unzweideutige Avancen macht, finanziert er stattdessen lieber das Studium. Da könnte wohl sogar Marlowe in puncto Tugendhaftigkeit bei Rawlins noch was lernen. An Trinkfestigkeit aber macht hier keiner dem anderen was vor. KATHARINA GRANZIN

Walter Mosley: „Little Scarlet“. Aus dem Amerikanischen von Uda Strätling. Fischer TB, Frankfurt 2007, 304 Seiten, 9,95 Euro