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Afrikaner beerdigten vorschriftswidrig

■ Amtliches Protestschreiben wegen ungewohnter Rituale bei der Beisetzung einer katholischen Asylbewerberin in Aachen / Bestattungsinstitut: Von Afrika lernen

Aachen (taz) – Zum Streit um das letzte Geleit ist in Aachen- Brand die Beerdigung einer Asylbewerberin entbrannt. Die Trauerfeier für die in Zaire geborene Katholikin Augustine Lubondo va Kintamba habe gegen die Friedhofssatzung verstoßen, erklärte der Bezirksamtsleiter Heribert Kuck: Die Beisetzung „erfolgte nicht in Form eines ruhigen Trauerzuges, sondern tanzenderweise, wobei der Sarg mehrmals hochgeworfen wurde“, empört er sich in einem amtlichen Protestschreiben.

Diese Darstellung entspreche nicht den Tatsachen, widerspricht Pfarrer Joseph Timmermann, der die Trauerfeier zelebrierte. Der Sarg sei nicht hochgeworfen, sondern lediglich der Tradition entsprechend hochgestemmt worden. Zwischen dem Geistlichen und dem Beamten ist derweil eine Auseinandersetzung à la Don Camillo und Peppone entstanden.

Der Fall der bereits im Dezember beerdigten Afrikanerin ist erst in diesen Tagen zur „Aachener Traueraffäre“ geworden, nachdem eine Lokalzeitung Ausschnitte des Protestschreibens veröffentlicht hatte. Der Bezirksamtsleiter beruft sich grundsätzlich auf Paragraph 40 der Friedhofssatzung, wonach besondere Beisetzungsriten genehmigungspflichtig seien. Für Karl Steenebrügge vom Bestattungsinstitut Bakonyi geht die Beanstandung an der Realität vorbei. Die Verstorbene sei Katholikin und keine Angehörige einer fremden Religionsgemeinschaft. Wenn deutsche Schützenvereine mit Fanfarenkorps ihre Toten zur letzten Ruhe begleiten würden, warum sollten afrikanische Katholiken nicht mit ritueller Trommelbegleitung die Trauerfeier durchführen, fragt Steenebrügge. Außerdem stehe die Beerdigung in Verantwortung des zuständigen Geistlichen, wie es im allgemein anerkannten Kommentar zum Bestattungsrecht (Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts) nachzulesen sei.

Die „Aachener Traueraffäre“ ist mehr als ein Streit um Paragraphen. Hier werde „Andersartigkeit zu Abartigkeit gestempelt“, kritisiert Prälat Bernd Kaut, der 48jährige Präsident des in Aachen ansässigen Internationalen Katholischen Missionswerkes missio, das sich darum bemüht, die kulturellen Identitäten von Christen innerhalb der Weltkirche zu fördern. „Zur Gastfreundschaft gehört der Respekt vor der Tradition, wie Menschen ihre Toten ehren“, erklärte Kaut.

Der Bezirksamtsleiter Kuck verwehrt sich ausdrücklich gegen den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit. Nach seiner Aussage hätte es mit einer Ausnahmegenehmigung keine Beanstandung gegeben. Allerdings sorgt sich der Bezirksamtsleiter um jene Menschen, die während eines Friedhofsbesuches unfreiwillig Zeugen einer solchen Trauerfeier würden.

Karl Steenebrügge vom Bestattungsinstitut Bakonyi hält eher die manchmal oberflächlichen deutschen Beerdigungen für kritikwürdig. Hingegen beeindruckt zeigt er sich von dem tiefen Glauben und der Bestattungszeremonie während der zweistündigen Beerdigung der katholischen Asylbewerberin. Eine religiöse Bedeutung habe das Hochheben des Sarges gen Himmel und hin zu Gott. „Hinsichtlich der Trauerfeiern sind afrikanische Christen dort, wo wir wieder hinmüssen“, meint Steenebrügge. Jörg Nowak

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