Afghanistan: Triumph der Taliban bei Geiselnahme
Die radikalislamischen Taliban haben zwölf der 19 südkoreanischen Geiseln freigelassen. Für die Gotteskämpfer ein Erfolg auf ganzer Linie.
Sechs Wochen hat das Drama um die südkoreanischen Geiseln in Afghanistan gedauert - nun sind zwölf von ihnen frei. Drei Frauen wurden gestern Morgen bei der Stadt Ghazni dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben. Vier weitere Frauen und ein Mann sind nach Auskunft des Gouverneurs von Ghazni, Merajuddin Pattan, im weiteren Verlauf des Tages freigelassen worden. "Die übrigen elf Geiseln kommen in den nächsten Tagen frei. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Taliban ihre Zusage einhalten", sagte Pattan der taz in Kabul.
Für die radikalislamischen Gotteskrieger ist dies ein Triumph auf ganzer Linie. Auch wenn der abgeschlossene Deal nicht die zunächst geforderte Freilassung gefangener Talibankämpfer beinhaltet. Denn die Regierung in Seoul hat zugesagt, dass Südkorea seine 200 in Afghanistan stationierten Truppen bis Ende des Jahres abziehen wird. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass Lösegeld für die christlichen Missionare gezahlt wurde. Zwar beharrt Südkorea darauf, dass der Truppenabzug ohnehin geplant gewesen sei. Doch dies dürfte nicht viel mehr sein als der Versuch, angesichts des politischen Desasters das Gesicht zu wahren, denn vor der Geiselnahme war in Seoul von einem solchen Schritt nie die Rede gewesen.
Tatsächlich haben die Taliban es geschafft, ein Land aus der internationalen Koalition für Afghanistan herauszubrechen. Auch wenn der militärische Beitrag Südkoreas nicht besonders groß gewesen ist, der taktische Erfolg wird die Taliban dazu ermutigen, weitere Länder durch Entführungen und Attentate unter Druck zu setzen.
Zwar sind sich Experten uneinig, ob die Entführung der beiden deutschen Ingenieure in der Provinz Wardak sowie der Mord an drei Botschaftsangehörigen in Kabul vor der bevorstehenden Mandatsverlängerung durch den Bundestag bereits als ein solcher Versuch gewertet werden kann. Einer der beiden Ingenieure wurde ermordet, Rudolf B. befindet sich noch in Geiselhaft. Es ist aber auch nicht entscheidend, ob die Taliban systematisch und zentral gesteuert vorgehen. Der Erfolg islamistischer Terrororganisationen beruhte in den vergangenen Jahren stets darauf, dass verstreute Gruppen unabhängig voneinander operieren. Die Ergebnisse fügen sich so oder so zu einem Ganzen.
"Diese Leute haben keine gemeinsame Strategie, keinen Plan. Das sind einfach Kriminelle", sagt der Gouverneur von Ghazni. Dennoch ist auch Pattan der Überzeugung, dass die verschiedenen islamistischen Gruppierungen in Afghanistan weitere Geiselnahmen versuchen werden. Zwar konnte Pattan weder bestätigen noch dementieren, dass Lösegeld für die 19 Koreaner geflossen ist. Doch das ist wahrscheinlich, da Geiselnehmer in den meisten Fällen Lösegeld fordern und dies einer der Hauptanreize für Kidnappings ist.
Im Falle der Taliban würde dieses Geld unmittelbar in deren Kriegskasse fließen. Es hält somit einen Teufelskreis am Laufen, der zur weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan beitragen wird. Schon heute haben zahlreiche Hilfsorganisationen Schwierigkeiten, Personal für den Einsatz in Afghanistan zu finden. Zugleich ist der internationalen Gemeinschaft klar, dass Afghanistan nicht mit militärischen Mitteln allein stabilisiert werden kann. Das Engagement ziviler Helfer ist dringend notwendig.
Entführungen sind aber auch dann nicht auszuschließen, wenn man sich nicht so ungeschickt verhält wie die koreanischen Christen, die sich in einem Bus mit 23 Personen ausgerechnet in die unsicherste Gegend des Landes begeben haben. Zwei Männer wurden von den Taliban erschossen, zwei kranke Frauen waren bereits zuvor freigelassen worden. Das einzige positive Ergebnis dieses Dramas ist deshalb die Zusage der Regierung in Seoul, keine Missionare mehr nach Afghanistan fahren zu lassen.
Eine bessere Koordinierung der internationalen Gemeinschaft und ein intensives Nachdenken darüber, wer warum in Afghanistan ist, muss daher die Konsequenz sein. Südkorea hat es den Taliban sehr einfach gemacht, einen Propagandasieg zu erringen.
Der Krieg in Afghanistan hielt unterdessen unvermindert an. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich auf einem Markt im Osten des Landes in die Luft und riss sechs Menschen mit in den Tod. Von den Opfern waren vier Zivilisten und zwei afghanische Soldaten.
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