Afghanistan: Regierung will mit Taliban verhandeln
In Afghanistan werden die Taliban offenbar als Gesprächspartner gesehen. Sie fordern die Streichung von der UN-Terrorliste als Vorbedingung. Die Nato äußert sich positiv.
BERLIN taz Glaubt man pakistanischen Medienberichten, findet im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet schon seit Wochen eine rege Reisediplomatie zwischen afghanischen und pakistanischen Regierungsvertretern, US-Geheimdienstlern und Taliban statt, obwohl man offiziell mit Terroristen nicht spricht. Die Taliban wollen nun auch nicht mehr als solche bezeichnet werden. Die Streichung ihrer Organisation von der Terror-Liste der UN sei die einzige Bedingung, die die Aufständischen in einem Gesprächsangebot an die Regierung in Kabul gestellt hätten, sagte gestern Salmaj Rassul, Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Hamid Karsai, dem ARD-Hörfunk. Der Abzug der ausländischen Truppen werde demnach von den Taliban nicht mehr gefordert.
Zu Wochenbeginn hatten die Taliban gegenüber Kabul Verhandlungsbereitschaft signalisiert, ihre Aussagen über Vorbedingungen für Gespräche waren jedoch widersprüchlich geblieben. Die afghanische Regierung hatte dennoch wohlwollend reagiert, und die UN hatten ihre Unterstützung für eventuelle Verhandlungen zugesichert.
Seit längerem verfolgt die afghanische Regierung die Strategie, die Aufständischen in "lokale" Taliban und "fremde Kämpfer" zu spalten und den moderaten Vertretern der Aufständischen Gesprächsangebote zu machen. Es gebe Taliban, so Sicherheitsberater Rassul zur ARD, "die allmählich spüren, dass es nicht so gut ist, sein eigenes Land zu zerstören". Man müsse also unterscheiden zwischen "dem harten Kern, der auf Seiten al-Qaidas steht und extreme ideologische Positionen hat, und jenen Taliban, die jetzt realisieren, dass sie vielleicht den falschen Krieg führen", so Rassul.
Thomas Ruttig, Afghanistan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, rät zwar dazu, abzuwarten, was von den vielen Gerüchten um die angeblichen Gespräche Substanz habe. Doch es deute einiges darauf hin, dass die USA in Afghanistan einen Kurswechsel einschlagen und auf Gespräche mit dem Gegner setzen, so Ruttig zur taz. Nach Berichten der afghanischen Agentur Pajhwok hat sich auch die Nato positiv zu Gesprächen mit den Taliban geäußert. Militärische Mittel könnten zwar Stabilität schaffen, aber dauerhafter Frieden könne nur durch Gespräche mit den Gegnern erreicht werden, so der zivile Sprecher der Nato, Nicholas Lunt.
Gleichzeitig warb Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gestern bei einem Besuch in Berlin für ein fortgesetztes militärisches Engagement am Hindukusch - und für eine auf den Süden ausgeweitete deutsche Beteiligung. General Egon Ramms, Befehlshaber im niederländischen Nato-Kommandozentrum Brunssum, sagte im ZDF-Morgenmagazin, der Ausstieg aus der OEF ("Operation Enduring Freedom") könne die Entscheidung im Bundestag über die Verlängerung der Afghanistan-Mandate der Bundeswehr vereinfachen. Die Entscheidung über die Beteiligung an der Schutztruppe Isaf und der OEF steht im Oktober und November an. In der SPD ist die Teilnahme der Deutschen am Anti-Terror-Einsatz umstritten. Innerhalb der Nato-geführten Isaf könne die Bundeswehr auch Spezialkräfte einsetzen, so Ramms. Die Schutztruppe habe ein breit angelegtes Mandat, das Aufgaben vom Kampf gegen Aufständische bis hin zum Wiederaufbau umfasse.
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