Äthiopische Läuferin wird Deutsche: Langer Lauf mit Hindernissen
Beim Frankfurt-Marathon kann die frisch eingebürgerte Fate Tola deutsche Meisterin werden. Zuletzt litt sie am geringen Tempo der Behörden.
„Wir haben darunter gelitten, dass wir die Olympischen Spiele nur vor dem Fernseher verfolgen konnten“, erklärt Musa Roba-Kinkal. Seine Frau hatte die Nominierungskriterien des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) im Marathon zwar erfüllt, aber gleichzeitig hätte auch ihr Einbürgerungsverfahren vor der Nominierungsfrist Ende Mai abgeschlossen sein müssen. Doch den deutschen Pass hielt die 29-Jährige drei Wochen zu spät in den Händen.
„Das hat viel Nerven gekostet und war eine riesengroße Last für die Familie. Wir sind immer wieder beim Regierungspräsidium nach Darmstadt gefahren, haben telefoniert, die Prüfungen und Sprachkurse gemacht“, erzählt er, während sie irgendwann die Geduld verlor. Denn letztlich absolvierte Fate Tola den Einbürgerungstest in Braunschweig – bei der LG Braunschweig ist sie als Sportlerin gemeldet – eben zu spät. Die Vorbereitung mit der Präzision eines Uhrwerks abgespult, doch den Wettlauf mit der Zeit im Behördendschungel verloren.
Verstehen können sie die Verzögerung bis heute nicht. „Es wäre doch ein Vorteil für Deutschland gewesen, wenn sie bei den Olympischen Spielen für Deutschland hätte starten können“, erklärt der Ehemann, der einst in einem Kinderheim in Frankfurt landete, als ihn sein Onkel nach Deutschland brachte. Der 27-Jährige besitzt längst den deutschen Pass und sagt: „Wenn alles normal gelaufen wäre, hätte sie es nach Rio geschafft.“
Der erste Wettkampf als Deutsche
Die Familie lebt mit der gemeinsamen dreijährigen Tochter in Gelnhausen, keine 50 Kilometer von Frankfurt entfernt. Ihren ersten Wettkampf als Deutsche bestritt Fate Tola im Sommer bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Amsterdam. Weil ihr Kopf nach dem ganzen Wirrwarr nicht frei wirkte, landete sie über die ungewohnte 5.000-Meter-Distanz nur auf Rang acht. Die klassischen 42,195 Kilometer sollen nun für so manche Enttäuschung entschädigen.
Fate Tola
Bis auf einen dreiwöchigen Trainingsblock in der Höhe des schweizerischen St. Moritz ist das Pensum mit bis zu 200 Wochenkilometern fast ausschließlich in hessischen Gefilden abgespult worden. „Die Vorbereitung ist gut gelaufen“, sagt ihr Trainer, selbst ein Topläufer. Nach einer Halbmarathonmarke von 1:13 Stunden soll eine zweite schnellere Hälfte folgen – mit ergebnisoffenem Ende. Mit neuer persönlichen Bestzeit, bislang 2:25:14 Stunden vor vier Jahren in Berlin, vielleicht sogar mit einem Sieg beim ältesten deutschen Stadtmarathon könnte Fate Tola zeigen, dass es sich gelohnt hat, solch einen langen Atem zu haben.
Dass die Mainmetropole zugleich die Deutsche Meisterschaft ausrichtet, bietet Tola eine doppelte Chance. „Es ist mir sehr, sehr wichtig, zu dem Land zu gehören, in dem ich schon lange lebe“, sagt die Langstreckenspezialistin, die in Sphären vordringen kann, von denen die wegen ihres gemeinsamen Zieleinlaufs in Rio scharf kritisierten und deswegen vom Frankfurter Renndirektor Jo Schindler („Ich fand das unsäglich“) nicht eingeladenen Zwillinge Anna und Lisa Hahner nur träumen können.
Nach vorne schauen
Wie schnell Fate Tola die Beine nun tragen, hängt nicht nur von der eigenen Verfassung, sondern auch stark vom Wetter ab. Nur eines steht für die Achte des diesjährigen Boston-Marathons (2:34:38) fest: ein neuer deutscher Marathonrekord, den vor einem Jahr der diesmal verletzte Arne Gabius an selber Stelle bei den Männern aufgestellt hat, ist utopisch.
Bei den Frauen gilt die von Irina Mikitenko 2008 in Berlin gelaufene Marke von 2:19:19 als unerreichbar. Die ehemalige deutsche Weltklasse-Läuferin war übrigens bis ins Frühjahr auch Fate Tolas Trainerin. Doch das Tischtuch mit der gebürtigen Kasachin ist inzwischen völlig zerschnitten. Reden möchte Musa Roba-Kinkal über die Thematik gar nicht mehr. Man schaue doch jetzt wirklich nach vorn.
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