: Ärztetag gegen AIDS–Meldepflicht
■ Streit über Beschlußvorlage über „unethische und unmoralische Praktiken“ der Pharmaindustrie, vom Markt genommene Medikamente in Länder der Dritten Welt zu exportieren
Karlsruhe (dpa) - Der 90. Deutsche Ärztetag hat sich auf seinem einwöchigen Kongreß in Karlsruhe einhellig gegen routinemäßige AIDS–Untersuchungen der Bevölkerung ausgesprochen. Die Delegierten der 207.000 Ärztinnen und Ärzte in der Bundesrepublik waren sich darin einig, daß diese Untersuchungen keine sinnvolle Verhütungsmaßnahme darstellen und auch aus Kostengründen abzulehnen sind. Eine Meldepflicht nach dem Bundesseuchengesetz sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angebracht. Sie berge sogar die Gefahr, eine Prävention auf breiter Basis zunichte zu machen. Das „Parlament der Ärzteschaft“ setzte der Tagung mit einem Streit über eine Beschlußvorlage ein Ende, in der der Pharmaindustrie „unethische und unmoralische Praktiken“ vorgeworfen werden. In der Entschließung wird der Gesetzgeber aufgefordert, Pharmaunternehmen daran zu hindern, in der Bundesrepublik vom Markt genomme Medikamente in Länder der dritten Welt zu exportieren. Eine zweite Lesung hatte darauf abzielen sollen, die Worte „unethisch und unmoralisch“ zu streichen und zu verdeutlichen, daß nur „einzelne“ Firmen betroffen seien. Es solle keine generelle Diffamierung vorgenommen werden, hieß es. Als eine zweite Lesung des zuvor mit einer knappen Mehrheit angenommenen Antrags verlangt wurde, verließ eine Handvoll Delegierter den Saal und machte das Gremium damit beschlußunfähig.
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