Änis Ben-Hatira, Bundesliga-Lehrling : Ich war ein Berliner
ÄNIS BEN-HATIRA, 18, lernte das kicken bei TeBe Berlin und soll künftig das Mittelfeld des HSV beleben. Foto: HSV
Auf einer Landkarte Fußball-Deutschlands wäre Berlin im Moment nur ein Provinzfleck mit dreistelligem Kennzeichen. Hertha BSC strauchelt den Abstiegsrängen entgegen. Union flippert in der Regionalliga Nord zwischen Klassen- und Aufstiegskampf. Und schön anzusehen ist das auch nicht gerade.
Dabei müsste das nicht sein. Denn seit Jahren bringt der Berliner Fußball in schöner Regelmäßigkeit extraordinäre Ballvirtuosen, Mittelfeldregisseure und Filigrantechniker hervor. Die Liste derer, die den Umgang mit dem Ball zwischen Häuserschluchten und auf Ascheplätzen in Reinickendorf, Wedding oder Neukölln gelernt haben, ist lang. Pierre Littbarski trugen seine O-Beine von Hertha 03 Zehlendorf aus bis nach Japan, Stefan Beinlich kickte beim Stasi-Klub BFC Dynamo und der Urberliner „Icke“ Hässler begann seine lange Karriere einst bei Meteor 06. Berlins Jugendabteilungen waren schon immer ein Versprechen auf eine goldene Zukunft. Doch die erlebten die Spieler nie in ihrer Heimatstadt. Leistungsträger und Stars wurden sie woanders.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass eines der größten Berliner Talente der letzten Jahre nicht das Trikot der Hertha sondern das des HSV überstreift. Änis Ben-Hatira ist wie Hässler ein Kind des Arbeiterbezirks Wedding und steht dem, was Ballgefühl angeht, kaum nach. Auch deshalb hatte der HSV den 18-jährigen Deutsch-Tunesier vor einem Jahr für 25.000 Euro direkt aus der Jugend von Tennis Borussia Berlin verpflichtet.
Beim 2:4 gegen den VfB Stuttgart ging sein zweites Spiel in der Hamburger Startelf allerdings so brutal daneben, wie man es sich nur vorstellen kann. Als er nach 34 Minuten wegen groben Foulspiels vom Platz flog, muss der Youngster sich eigentlich erlöst gefühlt haben. Nichts war ihm bis dahin gelungen, und dass es da schon 0:3 stand hatte einiges mit seiner Überforderung zu tun.
Aber es ist das Privileg der Jugend, sich solche Aussetzer leisten zu dürfen. Das begründet noch keine Zweifel daran, dass sich Ben-Hatira in die Reihe der Zauberer einfügen wird, die ihre besten Vorstellung jenseits der heimatlichen Hauptstadt geben.Lucas Vogelsang