Adidas steigt aus Profiradsport aus: Griff ins fallende Messer
Wer ist der Nächste? Nach der Telekom steigt auch Adidas aus dem Profiradsport aus. Nur der Nordmilch-Konzern will an seinen Milram-Radlern bis Ende 2009 festhalten.
Es sind nicht mehr viele, die dem Radsport die Treue halten. Der Nordmilch-Konzern tut es nach wie vor. Der Geldgeber des Teams Milram ist bis Ende 2009 mit Millionenbeträgen dabei. "Wir werden das Sponsoring nicht beenden", sagt Firmensprecher Ronny Lindstädt. Er ist am Telefon kurz angebunden. Mehr zum Thema stehe in einer aktuellen Presseerklärung von Nordmilch, sagt er und legt auf. In dem Papier heißt es dann: "Mit deutscher Lizenz und sieben jungen Neuzugängen startet das Team Milram in die neue Saison. Lernen Sie am 10. Januar 2008 in Bremen die deutsche ProTour-Mannschaft kennen und erfahren Sie mehr über die Ziele und Perspektiven des neu aufgestellten Teams."
Sie machen also weiter, als wäre nichts geschehen - nicht die Dopingskandale im Wochentakt und nicht die Aufkündigung von Sponsoringverträgen, die in der Absage der Telekom am Dienstag gipfelte. Unter Dopingbekämpfern ist es längst ein Allgemeinplatz, dass dem pharmakologischen Übel nur durch den Entzug von Geld und Fernsehpräsenz beizukommen ist, doch bei Nordmilch scheint diese Erkenntnis noch nicht gereift zu sein. Das ist verwunderlich, stellt der Konzern doch Lebensmittel her, die vor Reinheit - so will es der Verbraucher - nur so strotzen sollen. Ist der Radsportler der richtige Träger der Werbebotschaft vom sauberen Produkt? Gewiss nicht, hat die PHW-Gruppe mit der Marke Wiesenhof schon Ende Mai entschieden. "Die Sauberkeit des Sports hat gelitten. Und Wiesenhof ist ein Lebensmittelhersteller. Da kann der Schaden enorm sein", sagt Wiesenhof-Sprecher Frank Schroedter. Für ein nochmaliges Engagement müsste der Radsport "nachweislich sauber sein. Ich glaube", sagt er, "das ist sehr, sehr schwierig." Explizit wegen der Dopingverseuchung des Radsports ist die Firma ausgestiegen; Ende Dezember zerfällt das zweitklassige Team.
So direkt wollte die Firma Gerolsteiner nicht sein, als sie das Ende des Sponsorings im kommenden Jahr erklärte. Die Dopingfälle hätten keine Rolle gespielt, vielmehr "strategische Gründe", wie Sprecher Stefan Göbel sagt. Gerolsteiner will sich künftig "mehr mit lifestyligen Produkten aufstellen", deshalb seien die Radler des ProTour-Teams nicht mehr willkommen. Zur Validierung der Firmenstrategie habe die Agentur Rheingold sogar "tiefenpsychologische Studien" durchgeführt. Erkenntnis des Machwerks: "Der Konsument hat das Team nicht als Dopingsünder wahrgenommen." Ist der Konsument also ein ignorantes Wesen? Oder warum ist ihm entgangen, dass der Italiener Davide Rebellin sogar beim Epo-Doping gefilmt worden ist? Und dass Dopingsünder Patrik Sinkewitz Vorwürfe gegen Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer erhebt? Alles nicht so schlimm, sagt Göbel, gleichwohl gibt er zu, dass sich Gerolsteiner bis Ende 2008, am Ende des Sponsorings, "auf einer sehr fragilen Plattform bewegt". Der Radsport bewege sich zunehmend "auf ein kritisches Pflaster zu". Da kann man schon mal marketingstrategisch auf die Nase fallen. Das hat nun auch Adidas erkannt. Der Sportartikelhersteller will als Kosponsor aussteigen. Man werde "ab sofort" nicht mehr als Ausrüster des früheren Teams Telekom auftreten. Unlängst hatte sich bereits MAN als Geldgeber der dänischen Elitemannschaft CSC verabschiedet. Wer ist der Nächste?
"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Sponsorensuche jetzt leichter geworden ist", sagt Bernd Moos-Achenbach. Er ist Renndirektor des Klassikers Rund um den Henninger-Turm. "Vielleicht ist der T-Mobile-Ausstieg auch eine Chance", hofft er. "Das ist wie in der Wirtschaft. Da ist es ja auch oft sinnvoll, dann einzusteigen, wenn die Aktie ganz unten ist, und der Radsport ist ja derzeit ganz unten." Wahrscheinlicher ist es, dass jeder, der die Aktie Radsport zum jetzigen Zeitpunkt kauft, Gefahr läuft, in ein fallendes Messer zu greifen.
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