Acht Antworten zur Schweinegrippe: Soll ich mich impfen lassen?
Ab Montag sind Impfungen gegen das H1N1-Virus möglich. Nach Monaten erhitzter Diskussionen steht nun die individuelle Entscheidung an: Macht die Impfung in meinem Fall Sinn?
Wie gefährlich ist diese neue Grippe nun wirklich? Seit dem Ausbruch im April in Mexiko wurden weltweit knapp 5.400 Tote gemeldet - bislang kein Horrorszenario mit Millionen von Opfern. Die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC befand in einer Risikoabschätzung Ende September, die Pandemie könne ähnlich viele oder weniger Opfer fordern als manche normale Grippesaison - allerdings seien bislang jüngere Menschen betroffen. Die deutschen Behörden weisen aber darauf hin, dass es weitere schwerere Ansteckungswellen geben kann. Noch habe man es nur mit der ersten zu tun.
Wie ist die Lage in Großbritannien, dem am schwersten betroffenen Land der EU? Nach offiziellen Angaben zieht die Zahl der Neuansteckungen dort gerade kräftig an: 53.000 neue Fälle in dieser Woche - im Vergleich zu 27.000 eine Woche zuvor. Das sind aber Schätzungen. Die meisten Erkrankungen verlaufen mild. Am stärksten betroffen sind Kinder zwischen 1 und 14 Jahren. Die Opferzahlen stechen im EU-Vergleich hervor: Bis Donnerstag wurden 122 Tote gemeldet. Laut Londoner Gesundheitsministerium waren 54 Prozent der Opfer unter 45 Jahre alt, nur 23 Prozent älter als 65.
Wie ist die Lage in Deutschland? Aus Deutschland werden bisher rund 25.000 Schweinegrippe-Erkrankungen und 3 Todesfälle gemeldet. Das dritte Opfer ist ein 65-Jähriger Mann, wie gestern bekannt wurde. "Die allergrößte Zahl der Fälle verlief milde", betont der Epidemiologe Gérard Krause vom Robert-Koch-Institut (RKI). "Vereinzelt gab es aber auch Fälle, in denen die Patienten knapp dem Tod entronnen sind." Bei schweren Verläufen müssten die Patienten beatmet werden und bräuchten intensivmedizinische Betreuung.
Wann wird klar, wie sich die Lage entwickelt? Bei uns beginnt die Grippesaison. Die Ansteckungszahlen ziehen laut RKI gerade leicht an. Der Frankfurter Virologe Hans W. Doerr geht davon aus, dass man in ein bis zwei Wochen klarer sieht.
Die deutsche Regierung betont, der bestellte Impfstoff für die Massenimpfung sei wirksam und sicher. Kritiker sagen, die Schutzwirkung sei gar nicht klar. Was nun? Für eine Impfstoff-Zulassung müssen dessen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. Für die Wirksamkeit werden Antikörper im Blut von Testpersonen gemessen. Daraus lässt sich auf die Schutzwirkung schließen. Wie sie tatsächlich ausfällt, lässt sich aber erst mit der breiteren Anwendung überprüfen. Dann können auch noch seltene Nebenwirkungen auftreten, die in den Verträglichkeitstests zur Zulassung nicht aufgefallen waren.
Kritiker bemängeln, die Zulassung sei im Schnellverfahren erfolgt. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) betont, es habe keine Mängel im Verfahren gegeben. Wie erfährt man von den Nebenwirkungen? Ärzte müssen sie melden. Nebenwirkungen sollen in einer Datenbank des PEI öffentlich einsehbar sein: www.pei.de/db-verdachtsfaelle
Wird noch Impfstoff beschafft, den die Kritiker für unbedenklicher halten? Nach Angaben des Gesundheitsministeriums laufen die Verhandlungen noch. In Europa habe kein Hersteller eine Zulassung für einen solchen Impfstoff, so das Ministerium. Es geht um einen Spaltimpfstoff, der ohne Wirkverstärker konventionell in Hühnereiern angezüchtet wurde. Weder das von den Bundesländern bestellte Pandemrix noch Cevalpan, das die Bundeswehr erhält, erfüllen all diese Kriterien.
Sprechen sich die Kritiker grundsätzlich gegen die Impfung aus? Die Kritik richtet sich gegen übertriebene Gefahreneinschätzungen, die Auswahl des bestellten Impfstoffs und mögliche Zugeständnisse an die Pharmaindustrie. Das heißt nicht, dass die Kritiker nicht Menschen mit höherem Risiko auf einen schweren Krankheitsverlauf trotzdem eine Impfung empfehlen. Es geht um individuelle Risiko-Nutzen-Abschätzungen.
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