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„Ach, so klein ist das!“

■ West-AL und Ost-Grüne wollten das Mercedes-Areal auf dem Potsdamer Platz besetzen, doch sie fanden es erst gar nicht / Klagen über geringe Resonanz auf Besetzungsaufruf

Ratlose Politiker fragen und nur Journalisten wissen die Antwort: „Also, jetzt erkläre mir doch noch einmal genau, wo das Grundstück ist, auf dem Daimler-Benz bauen will“, bittet die AL-Vorständlerin den taz-Redakteur, der nun schon seit einer Stunde vergeblich darauf wartet, daß AL (West) und Grüne Partei (Ost) - wie angekündigt - gemeinsam besagtes Grundstück besetzen.

Zusammen mit einer Reihe weiterer Ostberliner Gruppen hatten die beiden Schwesterparteien zu der Aktion aufgerufen, die am Montag um 14 Uhr starten sollte. Sie wollen verhindern, daß der Senat bereits eine „Vorentscheidung“ für die Ansiedlungspläne des Stuttgarter Konzerns trifft und eine „Optionsvereinbarung“ für den Grundstückskauf abschließt.

Drei Stunden, bevor die Besetzung mit einer Stunde Verspätung begann, äußerte sich SPD-Finanzsenator Meisner schon kritisch über die Aktivitäten des kleinen Koalitionspartners: Ein Optionsvertrag werde „gerade deshalb angestrebt“, damit der Daimler-Konzern seine Pläne „in das Wettbewerbsergebnis einpassen muß“. Einen „sachlichen Grund für die Besetzung“ sah der SPD-Politiker deshalb nicht. Sachliche Gründe zur Sorge hätte er freilich auch nicht gehabt: Mangels Basis mußten die erschienenen AL -Funktionäre den Druck der Straße fast ganz alleine erzeugen.

Wich das auch nicht vom Üblichen ab, so hatten es die alternativen Regierungspolitiker - Helga Metzner vom Geschäftsführenden Ausschuß und Hilde Schramm von der AL -Fraktion - in diesem Fall extra schwer: Sie wollten zwar entschieden gegen die Daimler-Baupläne Front machen, waren aber unentschieden, über welche Flächen sich das betroffene Grundstück eigentlich genau erstreckt.

„Ach, so klein ist das!“, staunten die AL-Politikerinnen am Ende. Trotzdem war es noch zu groß für die Besetzer in spe: Nur eine Handvoll Unterstützer aus Ost und West waren dem Aufruf gefolgt. Ganze zwei (in Zahlen: 2) Zelte wurden unter den unbestechlichen Augen von drei TV-Teams schließlich aufgeschlagen. Die Ostberliner Grünen hatten zwar geplant, das Daimler-Gelände mit Besenstielen einzuzäunen; mangels Besenstielen - acht waren zusammengekommen - mußte diese Aktion ausfallen. „Es haben viele gesagt, daß sie kommen“, meinte Hilde Schramm enttäuscht, „aber es kann sich ja noch ändern.“ In der Tat: Gestern mittag, kurz bevor das Besetzerdorf plangemäß wieder abgebrochen werden sollte, waren es der Zelte schon sieben.

hmt

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