■ Abzug der Serben aus Sarajevo ist von Karadžić inszeniert: Rettungsversuch aus Pale
Es ist schon erstaunlich, wie die serbisch-nationalistische Politik der Extremisten in Pale die Öffentlichkeit verwirrt hat. Dabei ist es doch einfach zu verstehen, daß die Strategie der Nationalisten um Karadžić darauf zielt, kein Zusammenleben der drei Nationen in einer gemeinsamen bosnisch-herzegowinischen Gesellschaft zustande kommen zu lassen. Um die „ethnische Trennung“ der Bevölkerung zu erreichen, wurde der Krieg geführt, wurden Verbrechen begangen und Teile der eigenen Bevölkerung in diese Verbrechen hineingezogen. So ist es kein Wunder, daß jetzt eine inszenierte Kampagne läuft, alle Serben aus den Gebieten um Sarajevo abzuziehen.
Dies wird sogar mit Terror denjenigen gegenüber versucht durchzusetzen, die sich gegen den Auszug sträuben. Die Garantien der Ifor und der Bildt- Administration für die Sicherheit der serbischen Bevölkerung und das Angebot der bosnischen Führung, selbst jene Soldaten, die über dreieinhalb Jahre auf Sarajevo geschossen haben, zu amnestieren, werden durch eine Angstkampagne konterkariert. Systematisch sind in den letzten Wochen Fabrikanlagen demontiert worden, systematisch wurde das bewegliche Eigentum der alten Bevölkerungsmehrheit, der 1992 vertriebenen Kroaten und Muslime, aus der Region geschafft. Raub, Zwang, Propaganda, alles nur, um den Beweis antreten zu können, daß ein friedliches Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen nicht möglich ist. Die Schäfchen müssen zusammengehalten werden, sonst bröckelt die eigene Machtbasis.
Immerhin sind jetzt doch ein paar Spaltpilze aufgetaucht. So hat der Bürgermeister von Ilidža den Extremisten in Pale widersprochen. Mag sein, daß dies mit Serbiens Präsident Milošević abgestimmt war und nur dazu dient, die Wirtschaftssanktionen endgültig wegzubekommen.
Vor allem aber steckt dahinter, daß die alte Nomenklatura der bosnischen Serben fallen muß, um die „Srpska Republika“ in Bosnien-Herzegowina zu retten. Erst wenn die Extremisten um Karadžić und Mladić durch Miloševićs Gefolgschaft ersetzt sind, könnte der Teilstaat handlungsfähig und eine beschränkte Rechtssicherheit zumindest für die eigenen Bürger hergestellt werden. Dies wird jedoch nur stattfinden, wenn die internationale Gemeinschaft nicht wieder den Extremisten in Pale entgegenkommt. Nur unter Druck ist Milošević zum Handeln in diese Richtung bereit. Erich Rathfelder, Split
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen