■ Abzug der Alliierten: „Heute sind sie einfach nicht mehr nötig“
Annemarie Hofmann, 60Jahre, Gastwirtin
Wir haben jedes Jahr zu Weihnachten Alliierte zu uns nach Hause eingeladen. Früher waren wir auch oft bei den Paraden am 17. Juni und jedes Jahr auf den Volksfesten. Deshalb tut es mir persönlich leid, daß sie jetzt abziehen. Aber sie sind einfach jetzt nicht mehr nötig. Als die Mauer noch stand, haben sie wirklich viel für uns getan, haben uns über die Luftbrücke versorgt und beschützt.
S. K., 25Jahre, Student
Ich finde es korrekt, daß die Alliierten jetzt abziehen. Ich vermisse die gar nicht. Es werden viele Wohnungen frei. Die Amerikaner beispielsweise haben die ganze Clayallee. Und es gibt dann auch weniger Autos. Die Amerikaner fahren sowieso schlecht. Außerdem haben die Engländer einen ziemlich schönen Yachthafen, und wenn der frei werden würde für uns, wäre das doch nett.
Klaus Wagenbach, 63Jahre, Verleger
Ich wäre dafür, daß alle Alliierte und auch die Russen mit 500 Mann hierbleiben. Dann wären wir nicht so alleine, und es würde uns daran erinnern, wer uns befreit hat. Angenehm fand ich immer die übrige Demilitarisierung der Stadt, daß die Wehrdienstverweigerer hier waren. Das hat der Stadt einen anderen Charakter gegeben. Jetzt ist Berlin eine Stadt geworden wie jede andere auch.
Aude, 25 Jahre, Studentin
Ich finde es normal, daß die Alliierten weggehen. Ich habe aber einige persönliche Schicksale mitbekommen von Franzosen, die als Zivilbeschäftigte gearbeitet haben. Die meisten wollen hierbleiben, aber jetzt sind sie arbeitslos, das finde ich schon traurig. Es hätte eine gemeinsame Verabschiedung mit den Russen geben sollen, es ist ein bißchen albern, wie das gelaufen ist.
Thomas Ringleb, 31Jahre, Musiker
Jetzt können und sollen sie abziehen, ihre Mission ist erledigt. Ich habe die Westalliierten immer als Verbündete von Berlin gesehen. Daß die Russen heute anders behandelt werden, finde ich richtig. Ich bin aus Pankow und habe die Russen erlebt. Sicher haben auch sie die Deutschen vom Faschismus befreit. Aber letztlich habe ich die Russen als Besatzungsmacht betrachtet.
Karin Müller, 50Jahre, Lehrerin
Sie hätten gar nicht erst hier sein sollen. Militärische Präsenz verschärft die Bereitschaft zum Krieg. Es kam ein bißchen Kultur hierher, und sie haben ihre Feste gemacht. Aber ich erinnere mich, daß in Zehlendorf manchmal Panzer über die Straßen fuhren. Das war eine Art Präsenz nach dem Motto: Wir sind stark, wir sind hier. Für mich war das sehr unangenehm und total überflüssig.
Umfrage: Judith Gampl
Fotos: Bente Geving
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