Abtreibungsgegner in den USA: Der Angriff ging nach hinten los
David Daleiden wollte Planned Parenthood diskreditieren. Jetzt steht er vor Gericht, weil er dafür einen gefälschten Führerschein benutzte.
Immerzu wurde er zitiert, wenn der eine oder andere republikanische Bewerber deutlich machen wollte, was für ein tiefer kultureller, ethischer, philosophischer Graben ihn doch von jener Politikerin trennt, die sich trotz mancher Pannen gute Chancen ausrechnet, Barack Obama im Oval Office zu beerben. Von Hillary Clinton, die oft betont, für wie unverzichtbar sie Planned Parenthood hält. Und die die Organisation gerade in ihrem Präsidentschaftswahlkampf offiziell unterstüzt hat.
Das Netzwerk betreibt Frauenkliniken, in denen unter anderem Abtreibungen durchgeführt werden. Vielerorts bedeutet es für Frauen und Mädchen mit niedrigem Einkommen die einzige Möglichkeit, an Kontrazeptiva zu kommen. Daleiden wiederum versuchte es mit einem billigen Trick aufs Glatteis zu führen. In einem Restaurant trafen sich zwei vermeintliche Biotechnologen mit einer Ärztin der Klinikkette, um ihr bei gutem Essen und Rotwein Geld für das Zellmaterial abgetriebener Föten anzubieten. Mit versteckter Kamera gefilmt, brachte das Video des eher locker geführten Gesprächs Planned Parenthood für ein paar Wochen in Erklärungsnot, während es auf Seiten der christlichen Rechten zum Renner wurde.
Als es Daleiden im Juli ins Netz stellte, begann das Rennen ums Weiße Haus gerade an Fahrt aufzunehmen. Kein Zweifel, der Abtreibungsgegner aus Kalifornien, dessen Center for Medical Progress sich als Gruppe ethisch motivierter „Bürgerjournalisten“ präsentiert, wollte Kampagnenmunition liefern. Man kann auch sagen, dass es sich um den verzweifelten Versuch handelte, etwas zentral auf die Agenda zurückzuholen, was in letzter Zeit nicht mehr so richtig gezogen hatte.
Ob Abtreibung oder Homo-Ehe, es sind längst nicht mehr die Reizthemen, die sie früher mal waren. Man ist toleranter, was auch für junge Republikaner gilt, deren Ansichten zu beiden Punkten sich oft kaum unterscheiden von denen ihrer Altersgenossen, die sich zur Demokratischen Partei bekennen.
Immerhin schaffte es Daleiden, einen konservativen Kern zu mobilisieren. In zwölf zumeist konservativ regierten Bundesstaaten, von Michigan im Norden bis nach Florida und Texas im Süden, nahmen Staatsanwälte Planned Parenthood unter die Lupe, um herauszufinden, ob die Organisation gegen Gesetze verstieß, die den Verkauf embryonalen Zellmaterials untersagen. Nirgends fanden sie Beweise dafür, auch nicht in Houston. Dafür folgte nun, ausgerechnet in Houston, der Wirtschaftsmetropole eines noch immer ziemlich konservativen Bundesstaats, die überraschende, ironische Volte.
Buhlen um die Evangelikalen
David Daleiden, entschied eine Grand Jury aus Geschworenen, wird sich vor Gericht verantworten müssen. Im Falle eines Schuldspruchs muss er mit mindestens zwei und höchstens 20 Jahren Gefängnis rechnen. Er hatte sich nämlich, genau wie eine Verbündete namens Sandra Merritt, mit gefälschten Führerscheinen – die Plastikkärtchen ersetzen in den USA den Personalausweis – bei Planned Parenthood ausgewiesen. Was strafbar ist.
Das heißt nicht, schon gar nicht in einem Wahljahr, dass der Kulturkrieg damit abgehakt wäre. Dazu buhlen etliche Präsidentschaftsanwärter zu heftig um die Stimmen evangelikaler Christen, gerade in Iowa, wo letztere schwer ins Gewicht fallen und wo am Montag der Vorwahlmarathon beginnt. Marco Rubio jedenfalls, aussichtsreich im Kandidatenrennen, verteidigt Daleiden so wortstark, als wäre der ein neuzeitlicher Drachentöter.
Nur gibt es eben eine rote Linie, die auch Republikaner der moderateren Denkschule nicht zu überschreiten wagen. Planned Parenthood ist beliebt: 61 Prozent der Wähler sind dagegen, ihr Budget auch nur um einen Dollar zu kürzen. Und Hillary Clinton hat sich weiter aus dem Fenster gelehnt, als es sonst meist ihre Art ist. Worum es wirklich gehe bei der Kontroverse, sagt sie, sei der Vorstoß, legale Abtreibungen unmöglich zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!