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Absturz in die Banalität

■ Opera stabile: „The Minim' Jazzical“ von Thorsten Wilrodt

Zwei Dauerläufer traben Schulter an Schulter wie gut geölte Maschinen scheinbar ohne Berührungspunkte auf der Stelle. Annabelle Mandeng und Thorsten Wilrodt wollen so ein typisches Beziehungs-Problem zeigen: Wenn Trennung und Gespräch nicht mehr möglich sind, verliert man sich in Ersatzhandlungen. Um dieses Thema kreist das Musikdrama The Minim' Jazzical von Thorsten Wilrodt, das der Autor, Regisseur, Trompeter und Schauspieler in Personalunion zuerst beim letzten Junge Hunde-Festival auf Kampnagel gezeigt hatte und das jetzt Mittwoch in der Opera stabile Premiere der überarbeiteten Fassung hatte, mit Sturheit.

In einer anderen Szene werden die zwei an weit voneinander entfernten Plätzen an ihren Schreibmaschinen tätig, um Gedichte oder Erlebnisse festzuhalten, die man sich nicht mehr mitteilen kann. Gemeinsamkeit stellt sich erst musikalisch her, wenn die Schreibmaschine zu Trompete und Gesang den Rhythmus hackt.

Die Songs, von einer fünfköpfigen Band instrumentiert, handeln von Todessehnsucht und Liebeswerben, wobei der expressive Vortrag im Gegensatz zum distanzierten Umgang der Figuren miteinander steht – starke Gefühle werden nur in der Isolation des Ton- oder Textkunstwerks ausgedrückt.

Der 25jährige Thorsten Wildrodt will tradierte Bewegungsmuster aufheben und zeigen, „daß die Sehnsüchte der Menschen überall eigentlich dieselben sind“. Ob er dies mit den auf der Bühne herumstehenden Papierstapeln verdeutlichen wollte (Erinnerungssymbolik!), wird wohl sein Geheimnis bleiben. Die aufgeschichteten (beschriebenen) Seiten belegen immerhin, daß Mann und Frau trotz futuristisch anmutender Kostüme (Tanja Scharnberg) ihrer Vergangenheit ebensowenig entgehen können, wie die ganze Veranstaltung dem Absturz in die Banalität, was sowohl am Überdruß, an der Thematik als auch an der unzusammenhängenden Umsetzung liegen mag. Christoph Schlee

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