Absolute Mehrheit für Berlusconi: Silvio zum Dritten
Silvio Berlusconi hat die vielen Skandale vergessen lassen und die Italiener erneut überzeugt. Dank seiner Medienmacht - und dem Unvermögen der Linken.
ROM taz Die italienischen Wähler haben es wieder getan: Sie haben wieder einen Mann mit der politischen Macht ausgestattet, der eines ganz gewiss ist: ein Ausnahmepolitiker. Kokett hatte Berlusconi einmal erzählt, sein Arzt habe ihm die Physis eines "praktisch Unsterblichen" bescheinigt. Zumindest politisch erweist sich der halbseidene Unternehmer tatsächlich als unsterblich. Zum dritten Mal nach 1994 und 2001 gelang ihm bei den Parlamenstwahlen in Italien der Triumph. Sein Mitte-rechts-Bündnis hat bei der Wahl zum italienischen Senat die absolute Mehrheit gewonnen. Und diesmal benötigte er nur zwei Jahre, um seine letzte Niederlage vergessen zu machen, die er damals gegen Romano Prodi kassiert hatte.
Silvio Berlusconis Mitte-Rechts-Sammelbewegung "Volk der Freiheit" (PDL) erhielt im Senat nach dem vorläufigen Endergebnis vom Dienstagmorgen 47,32 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent Walter Veltroni kommt mit seiner Demokratischen Partei (PD) auf 38,01 Prozent. In der Abgeordnetenkammer erreichte Berlusconi 46,81 Prozent, Veltroni kam auf 37,54 Prozent. dpa
Ein Ausnahmepolitiker ist Berlusconi aber auch, weil er seine Mehrheiten mit einer Koalition gewinnt, in der gewachsene demokratische Parteien mit unverdächtiger Tradition keine Rolle spielen. Popolo della libertà (PdL, "Volk der Freiheit") heißt seine eigens für diese Wahl geschaffene Liste, die laut vorläufigem Endergebnis vom Dienstagmorgen stolze 47,32 Prozent der Italiener überzeugen konnte. Darin aufgegangen ist Berlusconis eigene Partei Forza Italia - eine Partei, die seit ihrer Gründung im Jahr 1994 keinen einzigen echten Parteitag sah und in der der "Presidente" die Funktionäre bis heute lieber selbst ernennt als sie wählen zu lassen. Der zweiter Partner ist die Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini. Während der seit Jahren den demokratisch-seriösen Politiker gibt, ist an der Basis die Duce-Nostalgie noch einigermaßen lebendig. Der dritte Partner schließlich ist die Lega Nord des populistischen Scharfmachers Umberto Bossi, der immer noch mit einer Abspaltung des reichen Nordens liebäugelt, wenn er nicht gerade gegen Einwanderer hetzt.
Ein Ausnahmepolitiker ist der unsterbliche Silvio zudem dank einer für demokratische Mandatsträger mehr als ungewöhnlichen Biographie. Bis heute weiß niemand genau, woher die Millionen stammten, die er in den Siebzigerjahren cash im Köfferchen zum Bankschalter trug, um seine Bau- und später seine Mediengeschäfte anzuschieben. Heute aber wissen alle, dass Berlusconi ein unbescholtener Mann ist. Mehr als ein Dutzend Prozesse überstand er schließlich unbeschadet; zweitrangig wird da, dass gleich sechs dieser Verfahren bloß wegen Verjährung eingestellt wurden. Zweitrangig ist heute auch, dass immer noch zwei Prozesse wegen Bilanzfälschung gegen ihn in Mailand anhängig sind. Die italienische Öffentlichkeit nimmt sie einfach nicht mehr zur Kenntnis. Und geradezu drittrangig ist der Umstand, dass da einer Italien regieren will, der zugleich das größte Medienimperium des Landes kontrolliert.
Als Ausnahmepolitiker zeigte sich Berlusconi schließlich auch, als er von 2001 an fünf Jahre lang Ministerpräsident war. Das Land stagnierte, für einen aber entwickelten sich die Dinge insgesamt sehr erfreulich: für ihn selbst. Seine Koalition bescherte ihm ein maßgeschneidertes Mediengesetz, schenkte ihm noch ein windelweiches Gesetz das ihm erlaubte, weiterzumachen wie bisher, nämlich als politisierender Unternehmer oder unternehmerisch tätiger Politiker. Und obendrein gab es noch eine Fülle von Gesetzen, die den "roten Staatsanwälten" mit ihren unschönen Ermittlungen gegen Berlusconi und seine Freunde endlich das Handwerk legen sollten.
Die wahre Ausnahmeleistung Berlusconis in den letzten 14 Jahren aber war es wohl, die Italiener davon zu überzeugen, dass eigentlich alles völlig normal und in Ordnung sei. Mittlerweile gilt es selbst unter vielen Linken als unanständig, über die dubiose Vergangenheit des Presidente zu reden oder über die Mafia-Kontakte seines Intimus Marcello dell'Utri. Das ist "Dämonisierung", die sich unter Demokraten nicht gehört. Im letzten Wahlkampf durfte Berlusconi schon vor der Auszählung der Stimmen diesen Erfolg verbuchen. All die Anomalien, die ihn auszeichnen, sind in Italien einfach kein Thema mehr.
Berlusconi, so scheint es, wollte sich seinerseits revanchieren, indem er gleichsam als völlig normaler Politiker daherkam. Gewiss, der Hang zum Schwindeln ist ihm einfach nicht zu nehmen. Schon im Dezember, als er seine Anhänger dazu aufrief, über den Namen der neuen Liste abzustimmen, flunkerte er frech, zehn Millionen Menschen hätten sich an dem Votum beteiligt. Und mitten im Wahlkampf beschwerte er sich darüber, ständig von den Karikaturisten als giftiger Zwerg gezeichnet zu werden. Schließlich sei er "praktisch genauso groß wie Prodi", und - mit von ihm selbst nachgemessenen 171 Zentimetern - "deutlich größer als Sarkozy". Bei solchen Geschichten reagieren die Italiener nur noch mit Schmunzel: So ist der Mann mit den hohen Absätzen eben.
Einigermaßen überraschend war dagegen jener Berlusconi, der zu Beginn des Wahlkampfes erklärte, die Präsidentschaft eines der beiden Häuser des Parlamentes im Falle eines Sieges der Opposition zu überlassen und im Dialog mit der Oppositionwerde Verfassungsreformen anstreben. Das verwunderte selbst die hart gesottenen Italiener: Will da einer als Vater einer großen Verfassungsreform in die Geschichtsbücher eingehen? Kurz vor dem Wahltag aber ha Berlusconi sein Versprechen an Walter Veltronis gemäßigte Linke wieder zurückgenommen und dies gleich noch mit einem Rempler gegen den Staatspräsidenten Giorgio Napolitano versehen: Die Präsidentschaft im Senat kriege die Linke nur, wenn Napolitano vom Amt des Staatspräsidenten zurücktrete. Denn der sei ja einer "von der Linken".
Zwölf Jahre wolle er noch weitermachen, wird dem Unsterbliche nachgesagt: fünf Jahre als Regierungschef, und dann sieben Jahre als Staatspräsident.
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