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Abschlussbericht vom Kundus-AusschussViele Tote, keine Erkenntnisse

Die Untersuchungen zum Bombardement von Kundus im September 2009 sind beendet. Was daraus folgt, entscheidet jede Partei für sich.

Nix passiert? Jedenfalls wollen die Koalitionsfraktionen nicht darüber sprechen. Bild: ap

BERLIN taz | Es gehört zum Wesen von Untersuchungsausschüssen, dass die Ergebnisse sich je nach Parteizugehörigkeit umdeuten lassen.

Die jeweilige Regierungskoalition erklärt den Ausschuss zum "politischen Kampfinstrument", die Opposition wiederum klagt über die Verhinderungstaktik der Mehrheitsfraktionen. Der Kundus-Untersuchungsausschuss endete am Mittwoch genauso - und dennoch war er keine gewöhnliche Veranstaltung.

Denn schon der Ausgangspunkt war ein für Deutschland nie da gewesenes Ereignis: Am 4. September 2009 bombardierte die Nato nahe Kundus in Afghanistan einen Tanklaster - Dutzende Zivilisten starben, darunter viele Kinder. Den Befehl hatte Oberst Georg Klein gegeben, der Tag wurde der blutigste in der Geschichte der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg.

In der Folge musste CDU-Verteidigungsminister Franz Josef Jung gehen, ein Staatssekretär und der Generalinspekteur gingen ebenfalls - und schließlich wurde ebenjener Untersuchungsausschuss eingesetzt.

Die Ergebnisse präsentierten die sechs Obleute der im Bundestag vertretenen Parteien am Mittwoch im Ausschussraum 2700 im Bundestag. Und so gespalten, wie sie da saßen - drei Koalitionäre links, drei Oppositionelle rechts -, war auch die Deutung der immerhin 79 Sitzungen.

"Harte, zähe Verhandlungen"

Kurz zusammengefasst, war für die Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen nämlich gar nichts weiter Untersuchenswertes passiert in jener Nacht. So folgerte CDU-Mann Michael Brand, dem Oberst sei "kein Vorwurf zu machen" und es sei "unanständig, auf seinem Rücken eine kleinkarierte Strategie der Unterstellung zu fahren". Brands erstaunliches Resümee: "Der Ausschuss sollte sich um wichtigere Themen kümmern."

Sein FDP-Kollege Joachim Spatz deutete im Sinne der Regierungskoalition schließlich noch die "Lessons Learnt", die Schlussfolgerungen und Erkenntnisse, aus dem 551 Seiten langen Bericht: "So viel Neues, was nicht schon angepackt worden wäre, steht da auch nicht drin", sagte Spatz.

Dass es damit nicht getan ist, unterstrich die Opposition: Es sei klar, dass der Angriff "eine offensive Vernichtung von Taliban" war, sagte SPD-Obmann Rainer Arnold, "Oberst Klein sagt selbst, dass er es nicht noch einmal machen würde." Ein weiterer Dissens bestand in der Frage, ob der Laster eine Bedrohung für das nahe gelegene Bundeswehrlager darstellte. "Eine Bedrohungslage für das Lager bestand nicht", sagte die Linkspartei-Politikerin Inge Höger. Der Einsatz sei ein Verstoß "gegen das Völkerrecht" gewesen.

Über die Zusammenarbeit untereinander machte sich schließlich Omid Nouripour Gedanken. "Das waren sehr harte, zähe Verhandlungen", sagte der Grüne, "und es gab unglaublich viele Auseinandersetzungen um die Geschäftsordnung." Nur eins wünsche er sich, sagte der Grüne, "dass wir nie wieder einen Anlass haben, über so ein Ereignis zu berichten".

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2 Kommentare

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  • E
    end.the.occupation

    Man kann auf dem Bild oben sehen, dass die Tanklaster nicht das Ziel waren. (Und wieder ein Foto ausgesucht, auf dem man den Traktor aus dem Nachbardorf nicht ohne weiteres entdecken kann - Zufall?) Denn von denen Tankern würde man anderenfalls höchsten noch die Achsen - und Teile des Rahmens sehen.

     

    Hier wurden gezielt Bombem in eine über hundertköpfige Menschenmenge geworfen - die man stundenlang beobachtet hatte - die aus dem nahe gelegenen Dorf kam. Ein Massenmord. Die klassische `Sühnemassnahme' aus der Welt der Landserheftchen.

     

    Aber hier wird das vertuscht - die Damen und Herren Journalisten stellen sich dumm. Nichts sehen, hören oder sagen: es waren Taliban - aha - und natürlich wurden nur Tanker bombardiert - die ja vielleicht eine Bedrohung hätten darstellen können. Ob in Palästina, Afghanistan oder Libyen - 'Knauls' findern sich überall.

  • W
    Webmarxist

    "Brands erstaunliches Resümee: "Der Ausschuss sollte sich um wichtigere Themen kümmern."

     

    Wenn bei einem Luftangriff im deutschen Zuständigkeitsbereich Zivilisten, auch Kinder getötet werden, muss der Bundestag einen Untersuchungsausschuss bilden und die Sache aufklären. Schließlich hatten die Bundeswehr die Verantwortung in diesem Bereich. Aus diesem Grund muss der Afghanistan-Krieg und der Einsatz der Bundeswehr sofort beendet werden. Damit nicht noch mehr Menschen sterben, denn jeder Tote ist einer zu viel.