■ Abschiebungen nach Vietnam: Die Kleinen hängt man
Will Innensenator Dieter Heckelmann noch vor der Wahl im Oktober den starken Mann spielen und gleich nach Inkrafttreten des deutsch-vietnamesischen „Rückübernahmeabkommens“ am 21. September die ersten VietnamesInnen zwangsweise zurückschicken? Zuzutrauen wäre es ihm ohne weiteres. Immer wieder hat der Innensenator den Eindruck zu erwecken versucht, die hier lebenden VietnamesInnen seien allesamt mit der Zigarettenmafia verbandelt und das Abkommen sei die schärfste Waffe. Auch bei den jüngsten Bluttaten dieser brutalen Mafia rief er als erstes nach der „konsequenten Umsetzung“ des Abkommens zwecks „Schutzes der deutschen Bevölkerung“. Daß hier zuallererst die in Berlin lebenden VietnamesInnen Schutz vor ihren erpresserischen Landsleuten verdient hätten, kam ihm ebensowenig in den Sinn wie die Erkenntnis, daß ein „Rücknahmeabkommen“ gegen Organisierte Kriminalität wohl ebensowenig hilft wie Salbeitee gegen Pocken.
Von seiten der VietnamesInnen muß er sich nun auch noch vorhalten lassen, daß das Abkommen seine Intentionen ins Gegenteil zu verkehren droht. Wenn er schnellschnell vor den Wahlen das erste Kontingent nach Hanoi zurückbefördern möchte, dann muß seine Verwaltung nach Personen greifen, die sich nichts oder wenig haben zuschulden kommen lassen: abgelehnte AsylbewerberInnen; Menschen, die Sozialhilfe beziehen; kleine Eierdiebe oder ZigarettenverkäuferInnen von der untersten Ebene des illegalen Tabakhandels. Denn von diesen sind die Namen bekannt, während die Großmeister der Mafia mit ihren diversen falschen Namen nicht greifbar sind. Einmal mehr könnte so der Spruch wahr werden: Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. Ute Scheub
siehe Bericht Seite 22
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