Abschiebung in Thüringen: Der Flüchtling darf nicht zu dick sein

Ein Diabetiker wird wohl nach Sierra Leone abgeschoben. Dort sei die Ernährung nicht so kalorienreich, argumentiert das Amt. Es zahlt seine Behandlung in Afrika - falls er nicht dicker wird.

Zu fettes Essen in Thüringen. Ein guter Abschiebegrund? Bild: dpa

BERLIN taz Bis Donnerstagabend hatte Aboubacar Wan noch Hoffnung, doch nun hat er das Urteil schriftlich: Das Verwaltungsgericht Gera hat die Klage gegen seine Abschiebung abgewiesen. In seiner Stimme schwingt Angst und Wut mit. "Mir geht es nicht gut, wie soll es mit mir weitergehen?"

1998 war Wan vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Sierra Leone nach Deutschland geflohen. Damals war er 16. Seine Eltern waren ermordet worden. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er lebt als Geduldeter in Thüringen.

Vor vier Jahren erkrankte er an Diabetes, viermal täglich braucht er Insulin. Da eine schwere Erkrankung ein Abschiebehindernis sein kann, wenn die medizinische Versorgung im Heimatland nicht gewährleistet ist, stellte er einen Folgeantrag auf Asyl. Doch im Dezember erhielt er den Abschiebebescheid. Per Eilantrag erwirkte Wans Anwalt einen Aufschub und klagte.

Die mündliche Verhandlung am 5. März sollte klären, ob die Diabeteserkrankung des 27-Jährigen ein berechtigtes Abschiebehindernis ist. Für den Prozessgegner von Herrn Wan, das Thüringer Landesverwaltungsamt, war die Antwort klar: Nein.

Der zuständige Sacharbeiter schrieb mehrere Seiten dazu. Als Experte schien ihn dabei seine eigene Erkrankung zu qualifizieren. "Der Unterzeichner hat selbst seit über 30 Jahren Diabetes und hat sich mit dem Thema sehr intensiv beschäftigt." Er empfahl Wan, sich "einer geregelten kalorienreduzierten Ernährung zu befleißigen und insbesondere eine erhöhte körperliche Tätigkeit auszuführen". So könne er seine Insulinabhängigkeit gegebenenfalls auf null reduzieren.

Dafür seien die Möglichkeiten in seiner Heimat sogar besser, da die Ernährung dort nicht so kalorienreich sei wie in Thüringen. Wans Arzt sagte, er fürchte, dass sich Wans Zustand bei fehlender medizinischer Versorgung verschlechtere. "Bis hin zum Tode".

Doch das Verwaltungsgericht Gera urteilte, dass die medizinische Versorgung von Aboubacar Wan in Sierra Leone gesichert sei. Um die Abschiebung zu rechtfertigen, hatte das Sozialamt Eisenach zunächst zugesagt, zwei Jahre lang die Kosten für die Behandlung zu erstatten.

Das hätte dem Gericht jedoch nicht gelangt, eine langfristige Übernahme musste sichergestellt werden. Um dieses Abschiebehindernis zu beseitigen, versprach das Verwaltungsamt zu zahlen - "gegebenenfalls unbefristet, sofern der Antragsteller nachweist, dass er im Bereich eines Normalgewichtes ist".

Dies bedeute Körpergröße in Zentimetern minus 100 erhöht um maximal 10 Prozent, heißt es in dem Schreiben. Vor Gericht erschien Wan im "Normalmaß": mit 80 Kilo bei 1,79 Meter Größe. Ein Sprecher des Verwaltungsamts sagte der taz: "Wir werden das Gewicht in zwei Jahren mit Sicherheit nochmals prüfen." Da muss sich Wan wohl bei der Botschaft in Sierra Leone nochmals wiegen lassen.

Wie eine Behandlung in dem westafrikanischen Land aussehen soll, bleibt nach dem Urteil unklar. Das Auswärtige Amt beschreibt Sierra Leone im Internet als Land mit einer "hoch problematischen" medizinischen Versorgung, mit nur wenigen akzeptablen Apotheken. Woher soll Wan Insulin kriegen, zu welchen Ärzten gehen? Das Verwaltungsamt verweist auf die Botschaft in der Hauptstadt Freetown.

Wan droht nun eine schnelle Abschiebung. Seine Lebensgefährtin ist verzweifelt: "Er würde in Freetown landen und auf der Straße stehen." Wans Anwalt will vors Oberverwaltungsgericht ziehen.

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