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Abschiebeprotest unter Tränen

■ „Aktion Fluchtburg“ und Unterstützer versuchten Abschiebung in den Libanon auf dem Berliner Flughafen Tegel zu verhindern / Polizei setzt Tränengas und Knüppel ein / Kirchenleitung bat PanAm–Manager Nagy, keine Abschiebungen mehr durchzuführen

Aus Berlin Myriam Moderow

Zahlreiche Pfarrer, Mitglieder der evangelischen Kirchenleitung, AL– und SPD–Abgeordnete und Unterstützer der „Aktion Fluchtburg“ versuchten gestern früh um 6 Uhr mit einer Demonstration auf dem Berliner Flughafen Tegel, neue Abschiebungen nach Beirut zu verhindern. Sie forderten: „Liebe Fluggäste! Das geht Sie genauso an! Sie fliegen in einer Maschine, in der Menschen sitzen, die in den Libanon abgeschoben werden. Stehen Sie nicht so rum und tun so, als wäre nichts. Fordern Sie den Flugkapitän auf, keine Flüchtlinge mitzunehmen.“ Die Passagiere der PanAm– Frühmaschine von Berlin nach Frankfurt, brachen kurz darauf in Tränen aus: Kaum hatten sie sich den Weg durch die überfüllte Abflughalle gebahnt, mußten sie - durch Zweierreihen behelmter Polizisten von rund 200 Demonstranten abgeschirmt - im Reizgasnebel am Abfertigungsschalter warten. Polizisten stürzten Gepäckwagen um, um den Schalter zu verbarrikadieren. Davor knüppelten ein paar Polizisten wahllos auf Demonstranten ein. Ein Polizist hatte sein Tränengas gezogen und so wild um sich gesprüht, daß Polizei, Fluggästen und Demonstranten die Tränen übers Gesicht liefen. Wieviele Flüchtlinge in dem grünen Gefangenentransporter saßen, der schon lange vor Abflug direkt aufs Rollfeld gefahren war, wußte zunächst niemand. Am Vorabend war durchgesickert, daß der Innensenat zehn Flugtickets nach Beirut für Abzuschiebende hatte reservieren lassen - unter ihnen eine Mutter mit Kindern. Im Gespräch mit Probst Hollm von der Kirchenleitung hatte der Innensenat bekräftigt, daß „mehrere Personen“ abgeschoben werden sollten. Innensenator Kewenig (CDU) werde sich auch nicht durch den Protest der Kirchenleitung von seinem Abschiebekurs abbringen lassen, hatte Senatsdirektor Conen versichert. Als die Maschine schließlich mit einiger Verspätung startete, saß dann „nur“ ein 23jähriger Libanese im Flugzeug, der laut Innensenatssprecher Fest freiwillig ausreiste. Ob die Demonstration die übrigen neun Flüchtlinge vorerst vor der Abschiebung bewahrt hatte, oder ob die Unterstützer der „Aktion Fluchtburg“ durch eine gezielte Falschmeldung morgens um fünf aus dem Bett geholt worden waren, blieb unklar. Im Laufe des Tages erklärte der Innensenator plötzlich, weitere Abschiebungen seien nie geplant gewesen. Als das Gros der Demonstranten gegen acht Uhr wieder abgezogen waren, blieb die Kirchenleitung zurück, um PanAm–Manager Nagy ins Gewissen zu reden. Denn wenn PanAm keine Abschiebungen mehr durchführen würde, käme dies - wegen des Monopols der Fluggesellschaft auf der Strecke Berlin–Frankfurt - einem Abschiebestopp gleich. Rechtlich könne PanAm nicht gezwungen werden, Abschiebehäftlinge mitzunehmen.

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