Abrechnung mit dem Bahnchaos im Winter: Börsengang derzeit kein Thema mehr
Der Winterbericht des Verkehrsministeriums beweist, dass ein Drittel der Züge im Dezember verspätet war. Politiker jeder Couleur fordern jetzt mehr Investitionen in die Bahn.
BERLIN dapd/dpa | Wegen Schnee und Eis sind im vergangenen Dezember bei der Deutschen Bahn weniger als 70 Prozent der Fernzüge pünktlich gefahren. Im Nahverkehr kamen nur 77,2 Prozent der Züge fahrplangemäß an. Das geht aus dem Winterbericht des Bundesverkehrsministeriums hervor, den Minister Peter Ramsauer (CSU) am Mittwoch im Verkehrsausschuss des Bundestages vorstellte.
Im Güterverkehr seien sogar nur 49,1 Prozent der Züge pünktlich angekommen. Vor diesem Hintergrund habe unter den Teilnehmern des Ausschusses "uneingeschränkter Konsens" geherrscht, künftig deutlich mehr in die Schiene zu investieren, sagte Ramsauer.
Unions-Verkehrsexperte Dirk Fischer (CDU) sagte im Anschluss an die Sitzung, die Deutsche Bahn sei in den vergangenen Jahren zu lange auf Verschleiß gefahren worden. In den kommenden Jahren müsse deutlich mehr in Material und Netz investiert werden. Außerdem habe die Information der Kunden nicht gut funktioniert. "Auch hier gibt es Verbesserungsbedarf."
FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring verwies darauf, dass bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei, einen Finanzierungskreislauf Schiene zu schaffen. "Wenn die Bahn, wie im letzten Jahr, mit der Infrastruktur hunderte Millionen Euro Gewinn macht, dann muss dieses Geld auch in die Schiene reinvestiert werden", sagte Döring. "Ohne ein massives und nachhaltiges Investitionsprogramm für den Personenverkehr und die Infrastruktur im Inland können wir die Probleme nicht lösen."
Linke-Verkehrsexpertin Sabine Leidig sagte, Ramsauer habe dem Konzern ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. "Das Winterchaos bei der Bahn, einschließlich der Berliner S-Bahn, die gebrochenen Radsatzwellen von Köln, der Zusammenbruch des Schienenfernverkehrs im letzten Winter und der Ausfall der Klimaanlagen in den ICE-Zügen" seien unmittelbare Folgen der Strukturkrise der Bahn, die die Politik zu verantworten habe. Eine der Ursachen für diese eklatante Bahnkrise sei die "Fixierung auf den Börsengang".
Ramsauer sagte, dass er den Börsengang der Bahn derzeit nicht für entscheidungsreif halte. "Die Voraussetzungen für einen solchen Schritt sind nicht in hinreichendem Maße gegeben."
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will angesichts der Probleme keinen Börsengang in nächster Zeit. "Es bleibt ein Ziel, aber die Bürger haben für dieses Ziel kein Verständnis, solange die Bahn die Bürger nicht davon überzeugt, dass und wie sie die Schwierigkeiten schnell bewältigt, die zum Beispiel um die Weihnachtszeit aufgetreten sind", sagte Merkel dem Stern.
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