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Abgründe des PresserechtsGrundrecht in der Krise

Scheibe-Wischer (I): Wie die Medien im Angesicht der Rezession prozessscheu werden, um Kosten zu vermeiden.

Alle Jahre wieder: Zum Jahreswechsel gewährt taz-Justiziar und Rechtsanwalt Peter Scheibe Einblicke in die Abgründe des Presserechts.

Mit der Medienkrise 2.0 kommt auf die Verlage und Sender auch juristisch einiges zu. Zwar wird die Pressefreiheit auch weiterhin nach Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt bleiben, die Frage ist nur, wie die Unternehmen im Angesicht der Rezession dieses Grundrecht weiterhin geltend machen können und wollen.

Derzeit ist die Krise meist noch eine gefühlte und kommt manchen ganz gelegen, um Kosten zu sparen. Es ist aber bereits abzusehen, dass viele Medien Prozesse - so sie es denn überhaupt dazu kommen lassen und sich nicht bereits vorgerichtlich geschlagen geben - noch seltener als bisher in die letzte Instanz treiben werden, allein um Prozesskosten zu vermeiden.

Auch die taz durfte in vielen Fällen keine Kosten und Mühen scheuen, um in letzter Instanz doch noch zu ihrem Recht zu kommen, wie in diesem Jahr die gegen den Berliner Polizeipräsidenten ergangene Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs gezeigt hat. Ein Jahr nach dem Antrag hat der Bundesgerichtshof nun auch die Revision der taz gegen das Berufungsurteil des Hamburger Oberlandesgerichts zugelassen, das die Ausstrahlung des taz-Kinowerbespots verboten hatte.

Hoffnung geben immerhin Überlegungen, den "fliegenden Gerichtsstand" bei Unterlassungsansprüchen abzuschaffen: Möchte ein Betroffener eine falsche Berichterstattung unterbinden, so kann er sich heute an jedes beliebige Zivilgericht im Verbreitungsgebiet wenden. Da selbst Regionalzeitungen die Inhalte ihrer Druckausgaben gleichzeitig ins Internet stellen, ist nämlich kaum noch ein Fall denkbar, bei dem der Betroffene diesen Anspruch nicht bei jedem beliebigen Gericht in der Bundesrepublik geltend machen kann. Die damit ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigte Wirkung, dass es sich bei dem Betroffenen meist um eine Privatperson handelt, der man lange Wege ersparen möchte, kann heute schon wegen der deutlich bequemeren und schnelleren Kommunikation nicht mehr gelten. Zudem haben Presserechtler im Laufe der vergangenen Jahre mit Hilfe einiger Landgerichte eine betroffenenfreundliche Rechtsprechung entwickelt und können sich daher das Gericht aussuchen, bei dem die Chancen für einen Prozesssieg recht hoch sind. Kurz: Im Presserecht bekommt selten die Presse Recht.

Ganz unschuldig an dieser Entwicklung sind freilich auch die Medien selbst nicht, die ihrem Informationsauftrag nachkommen und über presserechtliche Auseinandersetzungen immer häufiger und ausführlicher in einem Maße berichten, das vor zehn oder gar zwanzig Jahren noch nicht denkbar war. Dadurch machen auch Betroffene häufiger von ihren Rechten gegenüber einer unzutreffenden Berichterstattung Gebrauch. Die immerhin angedachte Anpassung mit dem Gegendarstellungsrecht, wo der Antrag bei einem Gericht am Sitz des Medienunternehmens einzureichen ist, würde daher auch künftig für den Betroffenen keine unüberwindliche Hürde bedeuten, den Medien aber etwas mehr Berechenbarkeit bescheren.

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