: Abfall für alle
Westbam, altersloser Freudebotschafter des Techno, legt am Freitag im Phonodrome auf
Menschen, die die Musik von Westbam mögen, mögen statistisch gesehen auch die Musik von Johann Strauss, Cradle of Filth und Paul Hardcastle, will eine Internetseite herausgefunden haben. Mag sein, denn Westbam – kurz für Westfalia Bambaataa, bürgerlicher Name Maximilian Lenz, 38 Jahre, Techno-Produzent, Party-Veranstalter und Über-DJ – hat mit Techno Hörerschichten erschlossen, von denen andere nur träumen. Vom australischen S-Bahn-Surfer bis zum deutschen Feuilleton, alle sind dem Lenz zugetan.
Die richtig großen Erfolge liegen freilich schon ein Weilchen zurück: Was waren das noch für Zeiten, als er den Millionen an der Siegessäule zur Eröffnung der Love Parade wie wild mit einer Maxisingle schwenkend den Segen zum Feiern erteilte und in den Neunzigern Jahr für Jahr die offiziellen Anthems für die Parade komponierte.
Er selbst kennt ja ungefähr seit Rammelzee alle Stars der Zunft persönlich. 1984 begann er in Berlin mit dem Deejayen, damals bastelte er noch eigene Remixe von Madonna-Songs zusammen. Heute pflegt er zu den seiner Meinung nach spießigen Kollegen aus dem Dance-Underground unverhohlene Feindschaften. Westbam selbst will aber eigentlich kein Feindbild sein, „this is the Sound of the Underground“ singt er auf seiner neuen Single „Recognize“ ganz selbstverständlich. Müsste man sich also für Mainstream entscheiden und hätte die Wahl zwischen totalem Kulturindustrie-Trash und dem irgendwie noch selbst gemachten Typen, würde man sich zweifelsohne für Westbam entscheiden.
Er ist das alterslose Rolemodel des ravenden Freudebotschafters, fehlerlos im Image, über Jahre vorausgeplant bis ins Detail. Als Mann der Masse weiß Westbam, wie perfide Hooklines klingen müssen: Auf „Recognize“ sorgt dafür eine freundliche Gitarre und ein Vokodereffekt auf der Stimme, die „Realize, Utilize, Socialize, Recognize, Analyse“ deklamiert. Diese gar nicht so blöden Worte schaffen es bis in die vorderen Chartsränge (obwohl man dafür heutzutage wirklich nicht mehr viele Platten verkaufen muss). Right on, Westbams Album Nr. 7, featurete Eisfeldt und Nena, die „Roots, Rock, Riot“ und „Wir sind die Zukunft der Vergangenheit“ sangen: Der Brückenschlag zu anderen Genres und Generationen gelang, für jeden fiel etwas ab.
Meist aber kratzen Westbams schön neu-mittige Melodien knapp vor Neo-Trance die Kurve in Richtung Elektro, derweil rollen Beats wie Donnerschlag. Ja, das Schlagzeug kann er gut und auch an den Plattendecks war auf Westbam noch stets Verlass.
JULIAN WEBER
mit P.a.s.c.a.l, Phly & Philipp: Freitag, 23 Uhr, Phonodrome