: Aber nicht nur für Soldaten
Franz Josef Jung will ein Ehrenmal für gefallene Soldaten – andere wollen lieber ein Denkmal auch für Zivilisten
Bisher haben nur die drei Teilstreitkräfte der Bundeswehr Denkmäler („Ehrenmale“) zum Gedenken an ihre gefallenen Angehörigen. Das Ehrenmal des Heeres findet sich in der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, das der Marine in Laboe und das der Luftwaffe vor dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck (zudem gibt es das U-Boot-Ehrenmal Möltenort in Heikendorf bei Kiel). In Kabul gibt es für die Gefallenen dieses Einsatzes zwei Gedenkorte: im Feldlager Camp Warehouse vor dem Stabsgebäude und am Flughafen Kabul. Es ist ein Geschenk der Stadt Berlin an die deutschen Soldaten. Gestiftet wurde der Berliner Bär aus rötlichem Sandstein von der Steinmetz-Innung Berlin. Gemeißelt haben ihn Auszubildende.
VON STEFAN REINECKE UND LUKAS WALLRAFF
Soll es in Berlin ein Ehrenmal für tote Bundeswehrsoldaten geben? Wenn ja, wo soll es stehen? Im Fokus der öffentlichen Blicke: vor dem Reichstag, weil das Parlament über Einsätze der Bundeswehr zu befinden hat? Oder eher etwas abgelegener hinter dem Verteidigungsministerium im Bendlerblock?
Ein Ehrenmal für Bundeswehrsoldaten ist – egal wie man dazu steht – ein Bruch mit der bundesrepublikanischen Distanz zu öffentlicher militärischer Repräsentation und symbolischer Darstellung toter Soldaten. Die Befürworter meinen, dass die Republik Menschen, die für sie ihr Leben lassen, eine symbolische Anerkennung schuldet. Einige Kritiker fürchten, dass mit diesem Ehrenmal eine Heroisierung von Soldaten betrieben wird. Doch die Hauptkampflinie verläuft bislang nicht zwischen pro und contra Mahnmal. Die Differenzen sind diffiziler: Wo soll es stehen? Und wem soll es gelten? Nur Bundeswehrangehörigen – oder auch Zivilisten?
Doch ehe die Debatte überhaupt in Fahrt gekommen ist, scheint die Entscheidung schon gefallen zu sein.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat das Projekt Ehrenmal, weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit, seit 2005 entschlossen vorangetrieben. Deutschland braucht, so Jung, ein „zentrales Ehrenmal für Soldaten“ nach dem Vorbild Frankreichs und Italiens. Also ein Symbol militärischer deutscher Normalität. Das Ehrenmal soll hinter dem Verteidigungsministerium entstehen. Jung schrieb einen Wettbewerb aus – der offenbar nun entschieden ist. Gebaut werden soll der Entwurf des Münchener Architekten Andreas Meck. Sein Denkmalsentwurf ist schlicht und groß, sehr groß sogar: ein mit Metall verkleideter 10 Meter hoher und 40 Meter langer Steinblock. „Das ist ja ein richtiger Koffer“, so der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner zur taz. Architekt Meck wusste gestern nur aus einem Bericht der FAZ, dass er den Wettbewerb gewonnen hat. Nun soll es schnell gehen. Das Ehrenmal soll schon in diesem Jahr fertig werden – ein Zeitplan, den Meck allerdings „ziemlich ambitioniert“ findet.
Auch Kanzlerin Merkel, die sich vor ein paar Monaten noch ausweichend geäußert hatte, ist laut Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nun „auf einer Linie“ mit Jung. Damit dürfte auch geklärt sein, dass das Denkmal hinter dem Bendlerblock stehen wird – und nicht beim Reichstag, einem Standort, den viele bevorzugen (siehe Interview unten).
Warum gab es dazu keine Debatte? Nicht nur Jungs restriktive Informationspolitik ist schuld daran. Auch die Parteien und Medien haben das Thema eher links liegenlassen. Denn es hat durchaus etwas Beängstigendes: Es erinnert nicht nur an die Toten von gestern – es kann auch als Zeichen für die Toten der Zukunft gelesen werden.
Zudem: Wer sich die abrupten Sprünge in den geschichtspolitischen Debatten der 80er- und 90er-Jahre vergegenwärtigt, weiß, dass Entscheidungen geändert und prämierte Entwürfe verworfen werden können. Der Streit, der bislang fehlte, scheint erst jetzt zu beginnen. Denn erst jetzt liegt ein konkreter Entwurf auf dem Tisch.
Parlamentarier der Grünen und der FDP bemängeln vor allem den klandestinen Stil des Verteidigungsministers. Der Grüne Winni Nachtweih sagte der taz, dass Jung der komplexen Debatte „durch dieses ‚Separat-Ehrenmal‘ ausgewichen ist“. Zudem sollte das Denkmal nicht nur, wie von Jung geplant, Soldaten, sondern „auch Entwicklungshelfern, Diplomaten und Polizisten gelten“. Das Argument hat viel für sich: So wird Soldatisch-Heroisches vermieden. Und auch die Proportion spricht dafür. Seit 1992 sind nunmehr 71 Bundeswehrangehörige im Ausland umgekommen – einige durch Gewalt wie am Freitag die drei Soldaten in Afghanistan. Insgesamt haben seit 1956 etwa 2.600 Bundeswehrangehörige ihr Leben im Dienst verloren, meist durch Unfälle.
Auch der liberale Verteidigungsexperte Rainer Stinner meint, dass mit Jungs Alleingang eine „Chance verpasst wurde, die längst überfällige Grundsatzdiskussion über die Rolle der Bundeswehr und die Auslandseinsätze zu befördern“. Vor allem aber werde das Ehrenmal am halböffentlichen Bendlerblock zu einem Ort für „ritualisierte Kranzniederlegungen“ verkommen. Viel geeigneter sei ein Ort am „Reichstag, der die auch historisch bedingte Singularität widerspiegelt, dass wir eine Parlamentsarmee haben“. Auch Paul Schäfer, Verteidigungsexperte der Linksfraktion, ist nicht prinzipiell gegen ein Denkmal am Reichstag für Soldaten, Entwicklungshelfer und Polizisten, die bei Auslandseinsätzen gestorben sind. Und: „Das Vietnam-Memorial in Washington könnte ein Vorbild sein.“
So ist der wahrscheinliche Fortgang absehbar: Minister Jung wird sein Ehrenmal bekommen – doch die Debatte um einen weiteres, anderes Denkmal am Parlament hat erst begonnen. Denn nicht nur Oppositionspolitiker, auch der SPD-Verteidigungsexperte Jörn Thießen will nahe beim Bundestag „ein Denkmal für Soldaten und Zivilisten, die im Auslandseinsatz umgekommen sind“.
Aber braucht die Republik wirklich zwei Denkmäler für bei Auslandseinsätzen Umgekommene?