: Abenteuerliches Modell
■ betr.: „Ein, zwei, viele linke Lager“, taz vom 27./28. 1. 96
[...] Die Aussagen von Jürgen Trittin erinnern mich an die einfach gestrickten Politikmodelle, die gesellschaftliche Widersprüche auf die unterschiedliche Moral verschiedener sozialer Gruppen reduzieren. Solche Modelle haben mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun; sie machen handlungsunfähig und sind politisch abenteuerlich. Auch Lenin konnte sich das Ausbleiben der sozialen Revolution in den kapitalistischen Staaten nur durch die Bestechung der sogenannten Arbeiteraristokratie erklären. Die katastrophalen Folgen dieser „Analyse“ für die kommunistische Politik in der Weimarer Republik müßten Warnung genug sein. Für die Partei Bündnis 90/ Die Grünen muß es alles andere als beruhigend sein, daß einer ihrer Vorstandssprecher auf einem solchen Niveau politisch argumentiert. Denn Bündnis 90/Die Grünen brauchen eine Linke, die ihren Beitrag zur Weiterentwicklung bündnisgrüner Programmatik leistet. Friedhelm Horn, Vorstands-
sprecher KV Rotenburg/Wimme
Jürgen Trittins Artikel zeigt wieder einmal, daß die Linken bei den Grünen es nur schaffen, sich auf theoretischer Ebene mit sich selbst zu beschäftigen, während sich die Auseinandersetzung mit den Realos auf polemische Rundumschläge beschränkt. [...] Trittin disqualifiziert sich damit nur selber (und damit die Linken bei den Grünen). Anstatt sich inhaltlich mit Realo-Thesen auseinanderzusetzen, beschränkt er sich auf Unterstellungen [...]. Er darf natürlich für alle bei den Grünen festlegen, ob es sich bei der Frage des Militäreinsatzes in Bosnien um eine Gewissensfrage handeln darf.
Nur weiter so, und der beschworene Sieg bei der Bundesversammlung in Bremen erweist sich wie erwartet als Pyrrhussieg. Heinz Werner Hermanns, Alfter
[...] So schnell ist Dein Respekt von Bremen verflogen, lieber Jürgen? Da vermute ich dann eher Heuchelei oder Taktik oder heuchlerische Taktik, von Respekt aber keine Spur. Den brauchen wir jedoch in einer Partei, die so Großes vorhat wie den sozialen und ökologischen Umbau unserer Gesellschaft. Und Du hast als Sprecher der Partei diesen Respekt vorzuleben, sonst solltest Du Dich von Deiner jetzigen Funktion verabschieden. Als Sprecher knallharte linke Fraktionsarbeit leisten – das geht nicht!
Das widerspricht auch der Politik des bündnisgrünen Bundesvorstandes, der nicht müde wird zu betonen, wie wichtig ihm die Unterstützung der Aufbauarbeit im deutschen Osten ist. Solche Positionsbestimmungen wie die von Dir in der taz sind da – gelinde gesagt – wenig hilfreich. Wenn wir zum Beispiel unseren brandenburgischen Landesverband mit seinen knapp 500 Leuten noch aufspalten würden in erste Linke, zweite Linke, Realos und sonstige, was käme dabei noch an schlagkräftiger bündnisgrüner Politik heraus?
Ist denn nur die grüne Linke aufgerufen, „einer weiteren Desintegration der Gesellschaft zu begegnen“? Willst Du die „Mehrheiten für eine andere Politik“ ohne die Realos organisieren? Und zu der von Dir im letzten Absatz angesprochenen politischen Alternative: Wollen wir diese eigentlich nicht gemeinsam formulieren? Antworte mal! Helmut Horst, Vorsitzender des
Kreisverbandes Oberhavel
B'90/Grüne
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