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Archiv-Artikel

Ab in die große Koalition KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN

Wie gut, dass das schwarz-gelb-grüne Kapitel in der Nachwahldiskussion nun auch beendet ist. Erfreulich deutlich haben die Grünen gestern sich selbst und die Öffentlichkeit daran erinnert, dass sie gegen, nicht für eine Bundesrepublik nach Merkel-Westerwelle’schem Muster geworben haben und gewählt wurden.

Das muss ja in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt oder wo sonst 2006 gewählt wird, niemanden abhalten, sich über weitere Naturschutzgebiete zu unterhalten. Wer aber allen Ernstes auf eine „Jamaika“-Koalition in der Hauptstadt gesetzt hat, verkennt schlicht den Unterschied zwischen den politischen Ebenen: Die großen Umverteilungsfragen der Steuer- und Sozialpolitik werden im Bund entschieden – und in den Ländern bloß umgesetzt. Sollten sich die „modernen, linken“ Grünen den liberalkonservativen Parteien öffnen wollen, wäre es jedenfalls reiner Irrwitz, ausgerechnet auf Bundesebene damit anzufangen. Auch Rot-Grün wurde nicht im Bund erfunden.

Fazit der Woche: Die Grünen hatten Gelegenheit, ihre Wähler zu streicheln, bevor sie als kleinste Oppositionspartei im Parlament untergehen. Manche Kommentatoren konnten versuchen, so viel von der angeschlagenen Merkel zu retten wie möglich. Vor allem aber hatten Union und SPD ein bisschen Zeit, nach dem Krawall der Wahlnacht die Frisuren zu ordnen und darauf zurückzukommen, was bis zum 18. September als selbstverständliche Option gehandelt wurde: eine große Koalition.

Der Schröder-Flügel der SPD hat dies ohnehin für das einzig mögliche anstrebbare Regierungsbündnis gehalten. Nun müssen dieselben Leute ihrem Kanzler bloß noch helfen, Luft abzulassen. Immerhin wurde Schröder ja bereits in Berlin dabei belauscht, wie er Rilke zitierte: „Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.“

Sollte der Kanzler demnächst einen würdigen Abgang schaffen, werden seine Getreuen gerne ihre Gemeinsamkeiten mit der Union ausloten: Beide Seiten können ihre Gesundheitsreformen dankbar seufzend versenken. Kein Mensch hat je wirklich an eine Reichensteuer gedacht. Tarifautonomie wollen doch selbst die Arbeitgeber erhalten. Schwarz-Gelb-Grün wäre eine Chaostruppe dagegen.