Ab in die Enklave: Kein Platz für Flüchtlinge
Oldenburg wollte 430 Flüchtlinge dezentral unterbringen, bisher wohnen aber erst 39 von ihnen in der Stadt. Die geplante Unterbringung auf altem Militärgelände ruft die Nachbargemeinde auf den Plan.
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HAMBURG taz | Es ist die alte Forderung aller Flüchtlingsräte: dezentrale Unterbringung für Flüchtlinge schaffen statt riesiger Asylbewerberheime. Für die 430 Asylsuchenden, die die Stadt Oldenburg vom niedersächsischen Innenministerium in diesem Jahr zugeteilt bekommen hat, hätte eine dezentrale Unterbringung Wirklichkeit werden können. Doch die Stadt hat bisher für 39 von ihnen einen Platz gefunden.
Oldenburg hatte im Dezember 2010 den Beschluss der Landesregierung übermittelt bekommen, neue Flüchtlinge aufzunehmen. Denn: Das nahe gelegene Asylbewerberheim in Blankenburg mit 550 Flüchtlingen sollte zum 1. Juli 2011 geschlossen werden. Ein gutes halbes Jahr also hatte die Stadt Zeit, sich um Unterbringungsmöglichkeiten zu kümmern. "Gleich zu Anfang hatte der Stadtrat beschlossen, die dezentrale Unterbringung auf den Weg zu bringen", sagt Stadtsprecherin Swantje Engel.
Passiert sei jedoch wenig, moniert die Interkulturelle Arbeitsstelle Ibis e. V., die unter anderem auch Wohnungen für Flüchtlinge organisiert. Deshalb seien erst 39 Asylsuchende in Wohnungen der Stadt oder bei Verwandten untergekommen.
Das Asylbewerberheim in Blankenburg nahe Oldenburg beherbergte bis zu seiner Schließung im Juli dieses Jahres 550 Flüchtlinge.
430 Flüchtlinge hat das niedersächsische Innenministerium der Stadt Oldenburg für dieses Jahr zugeteilt. Davon sind erst 39 Personen dezentral untergebracht.
160 Personen sollen in einer Gemeinschaftsunterkunft auf einem ehemaligen Militärflugplatz untergebracht werden.
Für weitere 231 Flüchtlinge sucht die Stadt noch immer nach geeigneten Unterkünften im Stadtgebiet.
Laut Stadtsprecherin Engel ist eine Unterbringung auf einem ehemaligen Militärflugplatz geplant, auf dem zwei alte Kasernen etwas außerhalb Oldenburgs Platz für 160 Menschen bieten. Die Stadt hatte erst im Juli die zwei Gebäude auf dem 300 Hektar großen Gelände gekauft.
Dabei scheint sie aber versäumt zu haben, die Anbindung an die Räumlichkeiten zu klären: Die Asylbewerber wären für ihre Einkäufe oder den Weg in die Stadt Oldenburg gezwungen, sich über Ammerländer Gebiet zu bewegen - einen angrenzenden Landkreis.
Das Problem: Die sogenannte Residenzpflicht verbietet es Flüchtlingen, ihren Landkreis zu verlassen. Bei Verstoß drohen Geldstrafen. Richtung Oldenburg ist das Kasernengelände mit einem Zaun abgeriegelt, die Flüchtlinge könnten nur auf einem Fuß- und Radweg in die Stadt.
Nicht nur die Anwohner des angrenzenden Örtchens Ofen waren über die Ankündigung der neuen Nachbarschaft empört, auch der Landrat zeigt Unverständnis: "Ich kann es nicht verstehen, dass uns 160 Personen hingeklatscht werden", sagt der Ammerländer Landrat Jörg Bensberg. Er vermutet, dass die Stadt Oldenburg sich absichtlich diese Enklave gesucht habe, obwohl seiner Meinung auf dem Fliegerhorst besser erschlossene Räumlichkeiten verfügbar wären.
Anfangs hatten die Ammerländer nur via Presse von den Plänen der Stadt Oldenburg erfahren. Ein erstes Gespräch des Landkreises mit der Stadt Oldenburg am 23. Mai sollte dann die Einigung in der Sache bringen. Seit dem Gespräch herrscht aber weiterhin Funkstille: "Ich habe die Stadt vor einem Monat schriftlich um den aktuellen Sachstand gebeten. Bis heute habe ich noch keine Antwort erhalten." Der Landrat ist "grundsätzlich bereit, im Sinne des Miteinanders Zugeständnisse zu machen. Die Stadt Oldenburg soll aber auch etwas dafür tun."
Abgesehen vom Streit mit den Ammerländern hat sich auch noch kein Betreiber für die zwei Kasernen gefunden. Die Stadt bereitet zur Zeit eine öffentliche Ausschreibung vor. Für Uwe Erbel vom Verein Ibis ist klar: "Je kurzfristiger die Stadt agieren muss, desto mehr muss sie auf Massenunterkünfte setzen."
Noch seien aber nicht alle für Oldenburg zugeteilten Flüchtlinge da. Sie würden "nach und nach" aus anderen Kommunen und Erstaufnahmeeinrichtungen kommen, sagt Vera Wucherpfennig, Sprecherin des Innenministeriums. Falls die Stadt eine Unterbringung in den Kasernen rechtzeitig realisieren kann, fehlten noch immer Wohnmöglichkeiten für 231 Menschen.
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