piwik no script img

■ Ab Montag wird es auf dem elektronischen Nachrichtenmarkt noch enger. Nach n-tv, das aus Berlin seine Zuschauer mit permanenter Information versorgt, geht nun Vox in Köln auf Sendung. Motto der Macher:In einem Jahr soweit wie ARD und ZDF

Kurz vor Vox versuchte die ARD es noch einmal mit einem Schlag gegen die, die künftig in der ersten Reihe wildern wollen. Die Einspeisung des kommerziellen Programms aus Köln ins Berliner Kabelnetz sollte verhindert werden. Im Berliner Kabel wird es nämlich eng, und deshalb hatte der dortige Medienrat beschlossen, daß für Vox der ARD-Kulturkanal Einsplus herausgekippt wird.

Gegen das Abschieben von Eins plus in den Bereich des Kabelnetzes, der nur mit modernen D2-MAC-Fersehgeräten empfangen werden kann, reichten der Sender Freies Berlin (SFB) und der Südwestfunk (SWF) am vergangenen Donnerstag Klage beim Verwaltungsgericht ein. Doch der Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Hege, konterte die Klage und ordnete die Einspeisung von Vox persönlich an.

Nun kommt also auch die Hauptstadt ab Montag, 17 Uhr, in den Genuß von „Infotainment“ rund um die Uhr. „Infotainment“ klingt englisch, doch der Begriff ist im angelsächsischen Sprachraum weitgehend unbekannt. Niemand kann sich mehr so genau erinnern, wo das Wort eigentlich herkam. Jetzt will der Privatsender Vox das Schlagwort mit Inhalt füllen. Der Kölner Fernsehsender gilt als die vorerst letzte Gründung eines TV- „Vollprogramms“ in Deutschland. Sicher ist es die ambitionierteste: Während RTL oder Sat.1 mit eigenen Nachrichten und einigen Gameshows auf Sendung gingen und ansonsten amerikanische Seifenopern abkurbelten, zeigt Vox von Beginn an knapp 50Prozent Eigenproduktionen.

„Wir wollen uns nicht mit Politikerphrasen zufrieden geben“, sagt Programmdirektor Ruprecht Eser (Ex-ZDF) über die Nachrichtensendungen, die im Mittelpunkt des „informationsorientierten Vollprogramms“ stehen. „In unseren Sendungen wird nachgehakt. Wir wollen fair, aber kritisch berichten.“ Vox war zunächst als „Informationskanal“ angekündigt worden. Erst im Laufe des vergangenen Jahres modifizierte Eser, den der Sender beim ZDF abgeworben hatte, das Sendekonzept: Statt Nonstop-News will Vox jetzt „Ereignisfernsehen“ produzieren. Außer Dokumentarfilme und ausführliche Nachrichten stehen zur prime time auch Spielfilme und eine Gameshow auf dem Programm des Senders.

Dieses Programm scheint bei Werbeagenturen gut anzukommen: Bis jetzt wurden angeblich Spots für 100 Millionen Mark auf Vox geschaltet. Trotzdem erwartet Vox-Geschäftsführer Erich Staake den Break-even-point nicht vor 1998. Schon bevor die erste Sendung ausgestrahlt war, hatte es bei Vox Krach hinter den Kulissen gegeben: Nachrichten-Chefin Margarete Deckenbrock kündigte, weil ihr der Sender zu desorganisiert war. Werner Holzer, den ehemaligen Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, der als „Anchorman“ der Nachrichtenshow „Weltvox“ vorgesehen war, versetzte man ins Korrespondentenbüro nach Washington. Unterhaltungschef Thomas Wilsch wurde durch Andreas „Leo“ Lukoschik ersetzt, den die ARD fallengelassen hatte.

Vox hat viele seiner MitarbeiterInnen bei ZDF und ARD rekrutiert. Ein Pressegespräch, das der Sender am letzten Mittwoch in Köln veranstaltete, sah dann auch aus wie ein öffentlich-rechtliches Ehemaligentreffen. Am Konferenztisch saßen neben Ruprecht Eser und Andreas Lukoschik Wibke Bruhns, Désirée Bethge und Hajo Friedrichs.

Sendungen wie die verschiedenen „Spiegel“-Magazine unterstehen jedoch nicht der redaktionellen Verantwortung des Senders. Die nordrhein-westfälische Landesregierung, die Vox die Sendelizenz erteilt hat, hat in ihrem Rundfunkgesetz festgelegt, daß alle Privatsender ein „Kulturfenster“ offenhalten müssen. Bei Vox ist es am größten ausgefallen: Fast 20 Stunden Programm pro Woche ist DCTP für die Kultur zuständig, eine Produktionsgesellschaft, die der japanischen Werbeagentur Dentsu, dem Spiegel-Verlag und Alexander Kluge gehört. Nach dem „Herausgeber-Prinzip“ vergibt DCTP Sendeplätze an andere Veranstalter. Dazu gehören bis jetzt der Spiegel, Die Zeit und die Süddeutsche Zeitung.

Der Verlag der Süddeutschen erwarb vor wenigen Wochen 24 Prozent der Vox-Anteile, nachdem der amerikanische Medienkonzern Time Warner bei Vox ausgestiegen war, um sich an dem Berliner Nachrichtensender n-tv zu beteiligen. Die übrigen Teilhaber von Vox sind die Holtzbrinck- Verlagsgruppe (14,5Prozent), die Westdeutsche Medienbeteiligungsgesellschaft unter der Führung der Westdeutschen Landesbank (25,1Prozent) und der Bertelsmann-Konzern über seine Tochterfirma Ufa (24,9Prozent).

Gerade die Beteiligung von Bertelsmann hätte beinahe zum vorzeitigen Ende von Vox geführt. Denn die Gesellschafter von RTL, an dem Bertelsmann ebenfalls Anteile hält, ließen dem Unternehmen, einem der größten Medienkonzerne Europas, gerichtlich eine Beteiligung an Vox untersagen. Gleichzeitig kursierte das Gerücht, daß Vox mit RTL2 zusammengelegt werden sollte. Erst vor zwei Wochen haben sich CLT und Bertelsmann darauf verständigt, daß die Wettbewerbsklausel aus dem RTL-Gesellschaftervertrag in diesem Fall ausgesetzt werden soll. Die WAZ, ebenfalls RTL-Teilhaber, haben dagegen noch nicht eingelenkt. Insider vermuten, daß sie damit den Preis für ihren Anteil an RTL hochtreiben wollen, um ihn dann komplett zu verkaufen.

Daß Vox die juristischen Querelen überstanden hat, liegt unter anderem daran, daß sie massive Rückendeckung von der NRW- Landesregierung genoß, die sogar dem WDR eine Frequenz abnahm, auf der der Landessender bisher sein Drittes Programm ausstrahlte. Nun kann Vox in NRW und im Saarland terrestrisch sein Programm ausstrahlen – ein wichtiger Wettbewerbsvorteil des Senders gegenüber anderen Privaten.

Dabei sind die Angstgegner für Vox gar nicht RTL oder Sat1, sondern eher ARD und ZDF. Gefragt, wie er sich die Zukunft seines Senders vorstelle, antwortete Programmleiter Eser: „Daß wir in einem Jahr bei der Information so gut sind wie die Öffentlich-Rechtlichen heute.“ Da fragt man sich doch, ob man am kommenden Montag nicht lieber gleich die „Tagesschau“ angucken soll und vielleicht erst nächstes Jahr mal bei Vox vorbeischaut. Tilman Baumgärtel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen