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Archiv-Artikel

AUSNAHMEREGELN UNTERLAUFEN DAS RAUCHVERBOT IN GASTSTÄTTEN Der Qualm zieht durch die Hintertür

Der Beschluss eines Rauchverbots ist mehr, als man erwarten konnte. Denn vor dem Treffen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatte niemand damit gerechnet, dass das Rauchen in Kneipen so stark eingeschränkt wird. Bisher waren Nichtraucherkneipen die Ausnahme. Jetzt werden sie zur Regel. Das ist die erfreuliche Nachricht.

Die Ausnahmeregelungen, die sich Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern vorbehalten wollen, sind jedoch ein Ärgernis. Sie ermöglichen es, das Rauchverbot in den kommenden Tagen wieder aufzuweichen. Denn erst in drei Wochen entscheiden die Ministerpräsidenten über den Beschluss ihrer Gesundheitsminister: Genug Zeit für die mächtige Zigarettenlobby, in den Staatskanzleien nochmals vorstellig zu werden – und eine monatelange Debatte, die viele für jetzt endlich abgeschlossen hielten, in die Länge zu ziehen.

Mehrere Ministerpräsidenten haben in den vergangenen Tagen durchblicken lassen, dass sie eher aufseiten der Bremser Wulff und Rüttgers als aufseiten ihrer Gesundheitsminister stehen. Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck würde gerne das Rauchen „am Abend“ weiter zulassen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer findet, dass es weiter Kneipen für Nichtraucher wie Raucher geben sollte. So könnte die Erleichterung über das Ende der leidigen Dauerdebatte schnell wieder in Ernüchterung umschlagen: Ernüchterung darüber, dass es alsbald wohl einen föderalen Wirrwarr geben wird, der für die Bürger nur schwer zu verstehen ist: Warum soll in Dortmunder Bierpinten und bayerischen Bierzelten geraucht werden können, anderswo aber nicht? Warum sollen Berliner Bedienungen vor Krebs geschützt werden, die Kolleginnen und Kollegen in Hannover aber nicht?

Der Bund hätte schon lange eine Lösung finden können. Statt das Thema an die Länder zu delegieren, hätte er einfach den Arbeitsschutz strenger regeln können. Die große Koalition müsste nur einen Satz in der Arbeitsstättenverordnung streichen – und in keiner deutschen Kneipe dürfte mehr gequalmt werden. Ohne Ausnahme. Doch dazu fühlte sich der Bund bereits im Dezember nicht in der Lage. Diese Möglichkeit aber bestünde immer noch. WOLF SCHMIDT