■ AUS POLNISCHER SICHT: I had a dream
Das Interesse an der Ausstellung »Jüdische Lebenswelten« und allen Veranstaltungen, die mit ihr in einem Zusammenhang stehen, ist riesengroß und sehr erfreulich. Vorwiegend junge Menschen strömen in Scharen in die Vorträge, Filme, Konzerte, Theatervorführungen. Sie hören, sehen und sprechen. Das ist nicht nur für sie von Vorteil, sondern auch für die gesamte deutsche Öffentlichkeit, weil damit eine grundsätzliche Möglichkeit gezeigt wird, ohne Gewalt zwischen Kulturen zu kommunizieren. Wie auch immer das Projekt bewertet wird, eines muß man anerkennen: es begünstigt eine Sensibilisierung der Jugend für die anscheinend harmlosen Erscheinungen des Rassismus und der Fremdenausgrenzung in der Öffentlichkeit und im Alltag. Sie kann sie identifizieren und — ihre Folgen bedenkend — sofort reagieren.
Die Chance der Verarbeitung der Nazizeit ist für einige Generationen verpaßt. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, angesichts des neuen Nazismus zu kapitulieren, weil die Aufarbeitung vielleicht bei dieser Generation doch gelingt. Die bewunderswerte Art, mit der Menschen wie Joachim Gauck oder Wolf Biermann eine Verarbeitung der jüngsten Vergangenheit Deutschlands angehen, ist ein Silberstreifen für die Zukunft. Eine solche Gründlichkeit und Ehrlichkeit wünscht man sich auch für andere »posttotalitäre« Gesellschaften.
Wie einst Martin Luther King in Amerika träume ich von einem Deutschland, wo es keine Berührungsängste und Kulturgettos mehr geben wird — auch nicht die der Ossis und Wessis; davon, daß eines Tages ein vergleichbares Interesse den Kulturkreisen gewidmet wird, die nicht so beispiellos bekämpft wurden wie der jüdische. Ich träume von »slawischen Lebenswelten«, von islamischen, kurdischen, armenischen, von einer riesigen Schau über das schwarze Afrika. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit, diesen Völkern ein Schicksal wie das der Juden in Zukunft zu ersparen?
Für eine solche Idee könnte man, wie ich denke, sogar so etwas wie Die Olympischen Festspiele Berlin 2000 (igitt!?) unterstützen. Zur Zeit ist das alles aber nur ein dream, und die Teilnahme der Hollywood-Serienware Star Trek VI an den Filmfestspielen ist die berlinale (d.h. berlinisch-banale) Wirklichkeit; während Filme wie Hitlerjunge Salomon schwer im Repertoire der Stadt zu finden sind. Piotr Olszowka
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