AUF PREGNANCY HILL : Vater und Sohn
Plötzlich ist da dieser Mann. Mit seinem Maclaren, dem Porsche unter den Buggies. Hinter ihm wackelt sein Sohn, vielleicht zwei Jahre alt. Kein Problem, der Abstand ist groß genug. Aber ich schwenke trotzdem nach rechts. Das Kind tapst nach links, an die Hauswand. Absolut keine Gefahr. Ich fahre langsam. So langsam, dass ich fast vom Fahrrad kippe. Ich habe alles im Griff. Bis der Mann sich vor mir aufbaut und losschwallt: „Das hier ist ein Bürgersteig. Bürgersteig! Verstehen Sie? Der heißt so, weil man darauf zu Fuß läuft und nicht fährt. Wieso fahren Sie überhaupt auf dem Bürgersteig Rad? Dafür gibt es Straßen. Da ist eine, sehen Sie. Groß und breit ist die da. Sie haben bestimmt keine Kinder, sonst würden Sie so was nicht machen. Dann wüssten Sie nämlich, dass sich das nicht gehört. Weil Kinder morgens in die Kita gehen. Auf dem Bürgersteig!“
Ich wohne in Prenzlauer Berg. Ich nenne meinen Kiez gern Pregnancy Hill: viele toughe und gut gelaunte Kümmer-Eltern.
Zu dem besorgten Vater will ich gerade sagen, dass ich sehr wohl Kinder habe und sie vor einiger Zeit höchstpersönlich jeden Morgen in die Kita gebracht habe, zufälligerweise auf genau diesem Bürgersteig. Ich will auch sagen, dass sich der arme Mann um seinen Sohn und mein Rad keine Sorgen machen muss. Ich kann gucken. Ich kann bremsen. Notfalls kann ich umfallen.
Aber der Mann ist sehr engagiert: „Ah, jetzt verstehe ich. Sie fahren auf dem Bürgersteig, weil Ihnen das Kopfsteinpflaster zu anstrengend ist. Da holpert man drüber, statt man rollt. Jaaaaa, so ist das mit dem Kopfsteinpflaster. Aber am Ende der Straße ist das Kopfsteinpflaster vorbei, dann gibt es glatten Asphalt. Probieren Sie das mal aus. Aber nee, Sie fahren lieber auf dem Bürgersteig und fahren kleine Kinder um. Wie ignorant ist das denn? Und dann riskieren Sie noch Diskussionen. Zum Beispiel mit mir.“ SIMONE SCHMOLLACK