AUF DEM PISSOIR : H-Prominenz
Gut gelaunt betrete ich das zur Hasenschänke gehörende Pissoir, um im Rahmen naheliegender Verrichtungen das dortige Gekrakel an den Wänden zu studieren. Neben den üblichen Kontaktanzeigen insolventer Herren findet sich ein frischer, mir noch unbekannter Spruch. Er ist groß, jeder Buchstabe mit Kugelschreiber mehrmals ausgemalt, das Wort „auch“ vierfach unterstrichen – das muss richtig Mühe gekostet haben: „U. Hannemann ist auch eine Fotze“.
Das ist sicher nett gemeint. Aber so richtig glücklich bin ich dann doch nicht darüber, auf welch spröde Weise hier meine Eitelkeit befriedigt wird, denn es klingt nicht nett. Ich fühle mich irgendwie angepisst. Sowieso wäre ich grundsätzlich viel lieber reich als berühmt.
Bekanntheit ist für den Arsch. Zum Beweis der eigenen H-Prominenz immer öfter den eigenen Namen lesen zu dürfen, macht unter dem Strich dann letztlich doch nur selten Freude, denn der Prozentsatz derer, die mich Scheiße finden, scheint in der anonymen Öffentlichkeit sogar noch höher zu sein als im privaten Bereich. Und das kann was heißen.
Gut, der Spruch ist auch eine Anspielung auf einen Text von mir, der unter anderem nur wenige Zentimeter östlich dieser Zeilen veröffentlicht wurde. Unter meinem Bild, auf dem ich, so behauptet Dan Richter, aussähe wie ein Hausmeister. Als wäre das was Schlechtes. Sonst kommen die Beleidigungen fast immer anonym. Dabei muss vor mir nun wirklich keiner Angst haben. Ich bin ein schreckhaftes Häschen. Zwar gibt es konkrete physische Anhaltspunkte, die auf das Vorhandensein einer annehmbaren Rechten hindeuten, doch die benutze ich ausschließlich, um Blumen zu pflücken, kleinen Mädchen Zöpfe zu flechten und Schnuckelhamster zu streicheln. „Any publicity is good publicity“, sagt der Franzose. Aber der hat ja auch Sarkozy gewählt. ULI HANNEMANN