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■ ARTUR,BERLINOIDAber ach, ein Schauspiel nur

Theaterferien währen lang, und in Berlin können auch Sommer lang und heiß sein und keiner will in Sälen sitzen oder durchgeschwitzt Klassikern oder der Avantgarde zuschauen, gschweige von der Bühne aus dem geneigten Publikum zu Gefallen sein, auch nicht modern.

Und wenn sie dann — endlich! — vorüber sind, wenn die Saison erneut beginnt, so ab September, dann gelten die Abonnements wieder, die kleinen Schwarzseidenen werden aufgebügelt und der Granatschmuck von Tante Ilse angelegt, die Hosenböden mit Kaffeesatz ausgebürstet (gibt's das noch?), oder eher die Bundfaltenhose und das Seidenhemd angezogen, man wird ja gesehen.

Wurst, was gegeben wird, in der Schaubühne, bei Hebbels oder im Schillertheater, besser in der -werkstatt, oder in der Oper, im Schauspielhaus, wo immer auch — es ist das Drumherum, was zählt und nicht die Kunst; Bühne oder Orchester gar spielen bestenfalls die zweite Geige.

Die Inszenierung findet in der Pause statt und im Parkett, wenigstens Cartier, Rolex ist mittlerweile viel zu proll, um noch unter der zufällig hochgerutschten Manschette zu blinken. Und diese unsäglichen Schwaden von Düften und Deodorants! neben all den anderen teuren Accessoires.

Einmal ist es Artur ganz elend geworden im Parkett, schon mal wegen dieser wundersamen Nuancen aus Orient und Okzident im Foyer, und dann ging seiner Nachbarin auch noch der Flacon mit Fahrenheit im Saffiantäschchen auf.

Patchuli ist ja out, gottlob, doch diese Mischung war so furchtbar strong, so gewollt lasziv, zugleich durchgesetzt und überlagert von allerlei anderen Düften, Dawiedoof und so, Duftmarken zweifelhafter Versprechungen von Haltlosigkeit. Nicht eine Spur ehrlichen Schweißes mehr dabei, kein Tosen der Hormone. An- und aufgelegte Kunstgerüche, und jede(r) weiß, warum... artifiziell. So schade drum.

Der ganze Abend war ihm versaut, dieses schöne Theater, so was von irritierender Schnüffelei. Das grenzt an Körperverletzung, sowas.

Demnächst, sagt Artur sich, da frage ich die Schöne vor mir nicht mehr nach ihrem Sternbild oder jene, die neben mir oder links davon sitzt, sondern errate ihr Parfüm. Französisch, italienisch oder doch Tosca, wer weiß es? Clemens Walter

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