piwik no script img

■ ARTUR, BERLINOIDKreative Menschen

Artur betrat die Bar, eine von diesen ganz coolen, mit dem Charm eines preußischen Kadettenpissoires, heimgesucht von allerlei Geschlechtern, wo die Demokratie sich zwar reizvoll aber nicht übermäßig aufrichtig darin niederschlägt, daß die Gäste die Farben der Cocktails mitbestimmen dürfen und auf die Wände Graffiti filzschreibern.

Sensible Personen, nuancenreich, die, weil sie an ihren Drinks nur nippen, tendenziell heimtückisch sind, jedenfalls nach Arturs Erfahrung, hängen an der Mahagonitheke, auch trübe Individuen von schwer definierbarem Status. Und hinter dem Tresen nun Dankwart. Dankwart, durch und durch Han-se-at, wie er sagt, eher stämmig, mit einer ungemein gepflegten Glatze, immer lebhaft und mobil, den Shaker hantierend wie ein Jongleur, Dankwart, vielleicht denn doch ganz unmittelbar vorm outcoming, who knows, Dankwart erzählte Artur, er sei Sammler.

So, sagte Artur mitfühlend, Sammler, aha. Un-be- dingt, meinte Dankwart, sammeln sei eine der ganz wenigen verbliebenen Möglichkeiten, das Leben überzeugend absolvieren zu können, trinkfest und charmant. Hmh, hmh, hmh, machte Artur und bat um einen weiteren Gimlet, interessant. Ja, Dankwart sammelte Uni- kate, und er zeigte Artur — nur mal so als Beispiel! — diskret eine riesige Schuhputzdose, ein Werbeobjekt von Kiwi, in der nun wieder zwei Originalcremedosen, ein Lappen und zwo Bürsten lagen. Erste Auflage, sagte Dankwart nebenher, die echte französische Ausgabe, mit solchen Sammlungen kann man gar nicht rechtzeitig genug anfangen!

Artur nickte. Alle Sammler, das weiß er, sind überaus eigensinnig und neigen zu stilistischer Unausgeglichenheit. Doch dann, es war spät geworden in der Bar, stellte Dankwart sein powerbook, wie er es nannte, auf das mattschimmernde Tropenholz der Theke. F 4, murmelte er.

Artur betätigte die Taste. Auf dem Bildschirm flimmerte der Satz: »Das mußt du aushalten können!«

Tja, sagte Dankwart und massierte seine Kopfhaut, wat mutt, dat mutt. Viele Gäste, sagte er, sind ebenso charmant und geistreich wie profan. Und wieder fuhr er sich übers kahle Haupt. Zum Ausgleich für meine Träume, die ich mir nicht leisten kann, sammle ich in meinem powerbook die Hülsen aus den panischen Gesprächsbereitschaften der Gäste, die aussehen, als hofften sie, für bedeutend gehalten zu werden, die Satzfragmente der Egozentriker, heimatlos und kreativ, die tippe ich ein. Er rückte den Bilschirm zurecht und ließ seine Schätze glimmern, und die Schrift lief schnell. »Das sind doch alles Übertragungen!«, konnte Artur lesen und: »Hab' keine Sorge!«, auch: »Ich laß mich nicht unter Druck setzen!«

Arturs Augen begannen zu brennen. »Sieh bloß zu!«, entzifferte er, »das hab ich von dir gelernt«, und »ich weiß, wovon ich rede«.

Die letzte von vielen Zeilen lautete denn wohl: »Denk darüber nach!«

Janee, sagte Artur zu Dankwart, warum nicht? Vielleicht aus Notwehr?

Das, erwiderte Dankwart leicht verwirrt, das tat doch nun wirklich nicht nötig. Clemens Walter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen