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■ ARTUR, BERLINOIDWarum soll er nicht?

Daß Janusz Straßenbauingenieur ist und seit über siebzehn Jahren schon in Berlin, das wußte Artur. Und Artur wußte auch, daß Janusz ein gottgläubiger Mensch ist und gern Bier trinkt, auch in größeren Mengen. Auch daß Janusz mit Julischka, der gutgläubigen Schönen aus Budapest leidenschaftlich verheiratet ist, war Artur bekannt, und daß Julischka bitterlich in dieser Stadt leidet, ihr Beton und Asphalt und geflasterte Straßen ganz fürchterlich aufs Gemüt, das feurige, schlagen und sie mit ihrem straßenbauenden Janusz so oft wie es nur irgend geht, ins Grüne will, raus aus der Stadt und weg von diesen versteinerten Verhältnissen.

Und so saßen Janusz und Artur an einem dieser verheißungsvoll sonnigen Nachmittage in einem Schöneberger Biergarten, wo die Wirtin großherzig schon Stühle und Tische plaziert hatte.

Artur hielt sich streng an Weizenbier, ohne Zitrone oder diese Reiskörner, versteht sich, Kristallweizen, Janusz gab berherzt dem Pilsner den Vorzug, lehnte sich entspannt zurück und bestellte Wodka. Der Pole an sich trinkt ja bekanntlich gern Wodka, grammweise, und wenn er dann Wodka getrunken hat, wird er sentimental, wie es heißt.

Und da nun Artur selbstverständlich keine Vorurteile hat, auch wenn sie fast täglich bestätigt werden, gestattete er sich einen winzigen Schluck und hörte dem Janusz einfach zu. Ach Artur, entrang sich ein schwerer Seufzer des Polen Seele, du weißt, daß ich ein Ingenieur für Straßenbau bin, und ich bin ein guter Ingenieur! Aber die Julischka, die Julischka, mein Gott, seufzte er, die ist wie ein Kind. Kann ein Mann wie ich damit leben, daß er das Geld mit Straßenbau verdient und die Frau das nicht gut findet?

Er wartet keinen Kommentar ab, kippt etwas Wodka nach und stöhnt: Was soll ich tun? Sehe ich aus wie ein Krankenpfleger oder einer aus dem Büro? Was um des Himmels willen soll ich nur tun? Bin ich gemein? Bin ich nutzlos? Am Wochenende, sagte er und hielt sein Glas gegen das Licht, waren wir mit dem Diesel in Mecklenburg. Eine gesegnete Gegend haben die da, alles so schön grün. Hat mir einer Land zum Kauf angeboten, Ackerland, keine besonders gute Krume, saures Land, überdüngt und krank, aber die Julischka sagt zu mir, nu, sagt sie, Janusz, was ist, wollen wir das Land nicht kaufen?

Mein Großvater war Bauer, mein Vater war Bauer, sage ich, aber ich, ich bin Straßenbauer, hab' ich gesagt, erzählt Janusz und nimmt einen langen Schluck. Aber dann schien da die Sonne auf das Land, fast so wie heute, und ein Strahl, ganz hell, vor unsere Füße. Ich sag' dir, Artur, das war vom Himmel ein Zeichen, glaube es mir. Ich habe den Acker gekauft. Weißt du, was wir machen werden? Wir pflanzen eintausendneunhundertzweiundneunzig Bäumchen und legen einen Teich an, ökologisch... wird's reichen als Ausgleich, Artur, was meinst du? Clemens Walter

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