ARD-Projekt "Radio-Tatort": Furcht vor Programmeinfalt
Und wieder macht der "Tatort" Ärger. Diesmal beklagt der Verband der Hörspielregisseure die inhaltliche Verarmung des Genres beim "Radio-Tatort".
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Es gab einmal eine Zeit, in der es ein Medium für die ganze Familie gab. Es hieß: Radio. Die Handlungen der Hörspiele, die darin liefen, waren linear, und wenn eine Figur eine Tür öffnete, dann knarzte sie. (Damals knarzten immer alle Türen; das Hörspiel verleugnete die Erfindung des Schmieröls konsequent).
Das Hörspiel hat sich seitdem verändert. Es wurde, sagt etwa Karl Bruckmaier, der für seine Radiobearbeitung von Peter Weiss Roman "Die Ästhetik des Widerstands" demnächst den Deutschen Hörbuchpreis erhält, "immer experimenteller, literarischer und mehr dem Sound zugewandt." Es gebe, heißt es auch aus dem Verband der Hörspielregisseure, heute "eine sehr pluralistisch angelegte Hörspiellandschaft": klassische Texte, neue Dramaturgie, variable Formen - und diesen Reichtum gelte es zu erhalten. Der Verband aber befürchtet, "dass die Position der ARD das genaue Gegenteil ist".
Einen Beleg dafür sieht er im "Radio-Tatort", einer Krimireihe, die als Gemeinschaftsproduktion der öffentlich-rechtlichen Sender entsteht und dessen zweite Folge, die MDR-Produktion "Schöne Aussicht", morgen erstmals ausgestrahlt wird. Es sind linear erzählte Krimis, die da gesendet werden, mit knarzenden Türen und klingelnden Telefonen (taz v. 16.1.). Nach dem Vorbild des Fernseh-"Tatorts" werden sie von den ARD-Anstalten im Wechsel produziert und schließlich auf allen Sendern übertragen. Das sei "ein Hinweis darauf", heißt es aus dem Vorstand des Verbands der Hörspielregisseure, "dass die Öffentlich-Rechtlichen auf eine Vereinheitlichung" zusteuere. Man befürchte eine "Programmeinfalt": Mit allen Wiederholungen seien 200 Stunden im Jahr für Sendungen jenseits der "Tatort"-Formatierung verloren.
Ekkehard Skoruppa, SWR-Hörspielleiter, hält dagegen: "Wir haben insgesamt keinen Rückgang an Ursendungen" - und bei einigen Anstalten seien im Zug der Einführung des "Radio-Tatorts" auch "bisher gar nicht existente Sendeplätze" für Krimi-Hörspiele geschaffen worden.
Der Verband beklagt jedoch auch, es gebe keine angemessenen Honorare für Wiederholungen. Skoruppa erwidert: "Das ist nicht nachvollziehbar. Wiederholungshonorare sind nicht weggefallen. Fehlende Übernahmehonorare für die gemeinsame Ausstrahlung innerhalb weniger Tage werden kompensiert durch ein erheblich erhöhtes Ersthonorar" - was der Verband einräumt. Diese Erhöhung reiche aber nicht aus, wenn man bedenke, dass sich die ARD mit den "Radio-Tatort"-Folgen ein Repertoire an Hörspielen schaffe, auf das sie über Jahre zurückgreifen könne. Zudem gebe es für die Weiterverwertung, etwa durch Hörbücher oder im Internet, "dringenden Regelungsbedarf". Der "Radio-Tatort" stehe als Beispiel für eine Entwicklung auf Kosten der Regisseure.
Karl Bruckmaier - "Neigungsregisseur", wie er sagt, der also nicht nur vom Hörspielmachen lebt - sagt, es stimme, dass durch den "Radio-Tatort" Kapazitäten für andere Hörspiele "abgezogen werden". Es könne aber sein, dass der "Radio-Tatort" "die Akzeptanz des Hörspiels insgesamt so anzuheben weiß, dass es zu einer Zunahme von Sendeplätzen führen würde"; dass also die Räume für Hörspiele größer würden, wenn sie populärer würden. Im Verband der Hörspielregisseure sagt man: "Es wäre für uns am Besten, wenn es so käme." Aber: Man glaube nicht daran.
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