ANNE FROMM ÜBER DEN STREIT UM DIE CHEFREDAKTION DES „SPIEGELS“ : Kündigung verschoben
Damit hatte kaum jemand gerechnet: Das Konzept „Spiegel 3.0“ kommt, Wolfgang Büchner ist als Chefredakteur erst einmal gerettet. „In enger Zusammenarbeit mit den Redaktionen von Spiegel und Spiegel Online“, so schreiben es die Gesellschafter in einer gemeinsamen Erklärung, sollen Chefredaktion und Geschäftsführung nun die Pläne zur Verzahnung von Print und Online umsetzen. Dafür sollen alle Ressortleiterposten neu ausgeschrieben werden. Künftig würden Ressortleiter – anders als bisher – sowohl für das gedruckte Heft als auch für den Onlineauftritt zuständig sein.
Gelöst ist damit allerdings überhaupt nichts. Mehr als 80 Prozent der Redakteure haben eine Petition gegen die Pläne Büchners unterschrieben. Selten gab es so offenen, organisierten Widerstand gegen einen Chefredakteur in einem deutschen Medienhaus.
Dabei dürfte auch den Redakteuren klar sein, dass Print und Online stärker zusammenwachsen müssen. Auch der Spiegel muss auf Auflagenrückgänge und die Veränderungen im Journalismus reagieren – Büchners Pläne sind da ein guter erster Ansatz. Doch der Protest der Printredakteure richtet sich primär nicht gegen Büchners Pläne, sondern gegen seine Person. Seit seinem Antritt als Chefredakteur vor einem Jahr wächst die Unzufriedenheit mit seinem Führungsstil.
Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass Chefredakteure gegen Widerstand in ihrem Haus kämpfen. Ungewöhnlich ist die Dimension: Mit mehr als 80 Prozent erklärten Gegnern wird Büchner nur schwer arbeiten können. Sie werden seine Ideen blockieren, wo es nur geht. Von einer „gemeinsamen Erarbeitung“ des neuen Konzepts, wie sie den Gesellschaftern vorschwebt, kann dann wohl keine Rede sein. Unter diesen Bedingungen wird Büchner nicht mehr lange bleiben. Offen ist nur, wer die Kündigung ausspricht.
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