ANGENEHM UNHEIMLICH : Spartanischer Kammerpop
Mohna, „The Idea of It“, LP, CD, Download (Sunday Service/Indigo)
Schlicht „1985–1994“ hieß das erste Soloalbum der Hamburger Künstlerin Mohna, 2009 veröffentlicht. Vorsichtige und verhaltene Klaviersongs brachten der 26-Jährigen erste Anerkennung ohne die Indiepop-Band Me Succeeds ein, in der Mohna Steinwidder hauptsächlich als Sängerin und Keyboarderin in Erscheinung tritt. Jetzt veröffentlicht sie ihr Zweitlingswerk „The Idea Of It“, ein Album, für das man sich Zeit nehmen muss, um dann umso mehr von den zerbrechlichen Melodien, die sich langsam entfalten, überrascht zu werden.
Der Songreigen beginnt mit einzelnen Xylophon-Anschlägen, zu denen langsam mehrere Schichten Gesang und ein Klavier hinzukommen. Daraus entwickelt sich eine repetitive Melodie aus einzelnen Klavieranschlägen, ein Schema, das in vielen Songs des Albums Anwendung findet und Mohna zu einem spezifischen, eigenen Sound verhilft. Die Grenzen dieses langsamen und vorsichtigen Songwriter-Pop dehnen sich mit den einzelnen Tönen und der Stille zwischen ihnen aus.
Am beeindruckendsten sind dabei die Stücke, bei denen die Musikerin zulässt, dass sich aus den fragilen Kompositionen doch noch eine größere Idee entwickelt, wie zum Beispiel in „Little Bones“ oder „Ideas“. Dort zeigt sich Mohnas versierter Umgang mit einem Instrument, das sie sich erst vor drei Jahren beigebracht hat. Da greift sie auch einmal fester in die Tasten und sorgt so dafür, dass ihre Hörer von der unmittelbaren Wirkung ihres vielschichtigen Klavierspiels ergriffen werden.
Verstörend schön
Das Schönste und gleichzeitig Verstörendste an Mohnas Musik ist aber ihr Gesang. Lose bleiben um ihn die Instrumente gruppiert, was den einnehmenden Eindruck von ihrer Stimme noch verstärkt. Sie ist sanft und gleichzeitig raumgreifend und klingt ein wenig wie die eines altklugen Kindes, das mal träumerisch, mal trotzig einzelne Melodien besingt. Wenn auf verschiedenen Songs noch der minimalistische Einsatz eines Kinderschlagzeugs oder eines Akkordeons in den Sound miteinfließt, wirkt das auf angenehme Weise unheimlich. Das mag auch daran liegen, dass Mohnas Songtexte oft den kindlichen Klang ihrer Stimme konterkarieren. „Inside the white of your eyes / I can watch the whole night in your eyes“, heißt es beispielsweise in dem Song „Walk“.
Dass auch Mohnas zweites Album wieder komplett in Eigenregie im Homerecording entstand, überrascht trotz der Abkehr von einem Lo-Fi-Sound nicht. „The Idea Of It“ ist ein introspektives Album, für dessen Musik die Künstlerin in sich hineingehört hat, um ihre Gedanken und Vorstellungen intuitiv zu vertonen. Daraus entsteht ein Dialog mit einem Du, das sich an festgefahrenen Ideen und Wunschvorstellungen festhält.
Dialog in der Erinnerung
„You shouldn’t keep it / This isn’t Yours / It came here by chance / Soon it will float away“, heißt es in „Vanishing Point“ programmatisch. Es scheint so, als würde dieses Gespräch nur noch in der Erinnerung der Sängerstimme stattfinden. Im Finale des Albums, „I Wouldn’t Swear“, singt Mohna: „This was my word / And I meant it / And I tried it / But I still like you.“ Mit diesen Worten bricht die Musik ab. So wird deutlich, dass „The Idea of It“ auch eine melancholisch-schöne Art ist, Abschied zu nehmen.
Mit ihrer Kammermusik hebt sich Mohna hörbar von den Zwängen des Singer-Songwriter-Folk ab, der seit Längerem vor allem durch den Schmusesound diverser Bartträger oder Sängerinnen wie Laura Marling überrepräsentiert wird. Dadurch, dass Mohna der Versuchung widersteht, die melodischen Ansätze ihrer Musik in Hymnen zu verwandeln, wirkt ihre Musik angenehm rätselhaft und entrückt. In Momenten, in denen andere Musiker ins Sakrale ausbrechen würden, bleibt sie ruhig und befriedigt das Bedürfnis nach großen Melodiebögen gerade nicht. Die spröde Schönheit ihrer Songs gerät viel langsamer in Schwingung, um dafür in der Stille noch lange nachzuhallen.
LISA FORSTER