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Archiv-Artikel

ANDREAS FANIZADEHLEUCHTEN DER MENSCHHEIT Professor Mbembes WM-Vision

Südafrika, ein nichtrassistisches, afropolitanes Wintermärchen 2010?

Für Achille Mbembe, Professor der Geschichte und Politik an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, ist die nahende Fußball-WM in Südafrika eine zwiespältige Sache. „Die WM wird unsere strukturell verursachten Probleme wie Armut, Kriminalität und Arbeitslosigkeit nicht lösen,“ sagt er in einem Gespräch mit Romin Khan für den Sammelband „Südafrika. Die Grenzen der Befreiung“ (Assoziation A, 2010).

„Aber mit einem Imagewandel hin zum Positiven“, so der Professor weiter, „wäre es leichter, den Tourismus anzukurbeln und dauerhafte Investitionen ins Land zu holen, mit denen Jobs geschaffen werden können.“ Dennoch bleibt er wie andere südafrikanische Autoren des Buches skeptisch: „Gerade die Wirtschaft ist noch immer nicht entrassifiziert, und besonders der Tourismussektor wird von Weißen dominiert.“ Er spricht damit das Hauptproblem des heutigen Südafrikas an. Auch mit dem Ende der politischen Apartheid und der Wahl Nelson Mandelas 1994 zum ersten demokratischen Präsidenten blieb die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich erhalten. Große Teile des weißen Südafrikas gehören wirtschaftlich gesehen zur Ersten Welt, ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung sind hingegen auch heute arbeits- und mittellos. Selbst wenn sich in den letzten 16 Jahren eine neue schwarze Oberschicht herausgebildet hat, werden Großprojekte wie die Fußball-WM im Lande strukturell daran wenig ändern.

Im Vorfeld der Fußball-WM wird in Europa immer wieder die Sicherheitslage des Landes angesprochen. Von April 2008 bis März 2009 zählte der South African Police Service (SAPS) 37,5 Morde pro Tag auf 100.000 Einwohner. Zusammengerechnet 18.148 Tote, eine der höchsten Mordraten weltweit. Gewaltkultur und soziale Ungleichheit sind das ungemütliche Erbe des Apartheidsregimes.

Fußball ist in Südafrika unter allen Bevölkerungsgruppen die populärste Sportart, das war auch während der Apartheid so, die den Fußball nie voll in den Griff bekam. Insofern liegt hier auch eine Hoffnung, wie Professor Mbembe sie ausdrückt. Er wünscht sich eine WM, die in Europa nicht „mit folkloristischen, klischeehaften Bildern von Afrika überfrachtet“ werde, und hofft, dass sich Besucher und Einheimische auch außerhalb der zu erwartenden „Hochsicherheitskorridore“ treffen und mischen. Südafrika, ein nichtrassistisches, afropolitanes Wintermärchen 2010?

Der kluge Kritiker winkt ab. „Tut mir leid,“ sagt Professor Mbembe, „ich bin einfach sehr pessimistisch, Südafrika hat noch nicht mal eine gut spielende Fußballmannschaft“.

Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz Foto: privat